Heute ist Sandsturm. Die Namib ist für solche berüchtigt. Der Wagen wurde morgens im Stand noch mit uns drin durchgeschüttelt und eben leicht ist er gewiss nicht.
Das Fahrtbereitmachen gestaltete sich zum Kampf gegen Wind und Sand. Dabei stellten wir fest, dass Böen bereits einen Dämpfer des Dachs aus den Angeln gerissen hatten und der Dämpfer im Dach steckte. Löcher im Dach sind auch schön. Es gelang uns nur vereint und unter Einsatz des Leatherman-Multitools den Dämpfer aus dem Dach zu hebeln und diesen mit der Zange des Tools am vorgesehenen Ort wieder fest zu verschrauben. Ich bin froh das Ding mitgenommen zu haben.
Was also tun, wenn die Wüste Alarm macht? Durch einen Canyon wandern ist eine gute Idee, da ist man weitgehend windgeschützt und einen solchen hält Sesriem auch bereit.
Noch auf dem Parkplatz ist der Canyon praktisch nicht zu sehen, weil er vom flachen Wüstenboden in die Tiefe geht und sich nicht canyonmässig typisch zwischen Hügeln durchschlängelt. Dieser Canyon ist erst zu entdecken, wenn es schon fast zu spät ist und Geländer hat es keine. Bei uns zu Hause wäre alles eingezäunt und mit hundert Warnschildern versehen. Hier mutet man den Leuten offenbar noch etwas Mitdenken zu. Jedenfalls sahen wir im Canyon keine abgestürzten Menschen liegen. Nur den abgerissenen Kopf einer Taube. Den flashten wir aber nicht und ersparen den Leser*innen den Anblick – würg! Irgendetwas hing unten noch raus … bähh, da kommen die Bilder gleich wieder hoch …
Der Canyon ist nicht allzu gross, aber durch und durch pittoresk. Die Namib brauchte 3 Millionen Jahre um ihn zu formen. In der Wüste hat man Zeit.
Die grosse Sehenswürdigkeit von Sesriem ist jedoch Düne #7, welche sich nah gelegene 60 Kilometer vom Camp entfernt befindet. Aber müssen da hin, schliesslich ist die Düne an die 400 Meter hoch und damit die höchste der Welt.
Derweil ich diese Zeilen schreibe kämpft Stefan mit dem Personal des Camp-Restaurants. Die sieben Leute am Nachbartisch sind wesentlich später gekommen als wir und haben unterdessen bereits aufgegessen, derweil wir noch der Bestellung harren. Also nicht, dass wir nun unserer eigenen Aussagen von gestern Lügen strafen, aber wir wollen ja eben noch Düne #7 und das Tor schliesst hier bei Sonnenuntergang. Bis dann müssen wir zurück sein, sonst schlafen wir dann auf der falschen Seite des Zauns … oder machen es wie das Oryx gestern, welches den Zaun kurzerhand mit Kopf und Hörnern anhob und unten durch kroch. Wir müssten dann aber wohl ganz schön viel Zaun verunstalten, weil der Wagen so verdammt hoch ist.
Der „Big Mama Burger“ (plus Fritten) – das Vernünftigste, was es gab – war dann im 60 Kilometer entfernten Sossusvlei rasch verbrannt, da die letzten fünf Kilometer über Sand führten.
Ich erinnere mich an unser Gespräch mit einem Herrn in der Bagatelle Kalahari Desert Ranch, der ist nämlich in eben diesem Sand mit seinem Wagen verreckt und musste sich abschleppen lassen. Abschleppen ist aber nicht mehr, weil keine Ranger mehr hier waren, also blieben nur drei Möglichkeiten: Umkehren, die letzten Kilometer zu Fuss gehen oder die Fahrt wagen.
Fünf Kilometer zu Fuss hin und zurück plus Düne in der brennenden Sonne sind etwas gar heftig, ausserdem hätte die Zeit dafür nicht mehr gereicht. Umkehren ist für Antilopenfüsse, also wollten wir es wagen und gaben unser Bestes: Luft in den Rädern auf 1.5 Bar abgesenkt, 4×4 und Sperrdifferenzial rein, dann los, ja nicht zu langsam fahren und den Wagen schwimmen lassen, wenn er das will. Stefan hielt Ausschau nach der bestmöglichen Spur und ich suchte die 3.5 Tonnen in die gewünschte Richtung zu lenken. Auch eine Art zu lernen, was bei ausbrechendem Heck Gegensteuer geben heisst.
Nach einigen Minuten wilden Ritts, mehr diagonal denn geradeaus laufend, schafften wir es ans Ziel. Der Boden war dort fest genug, dass Anhalten gewagt werden konnte. Aussteigen und prüfen, ob die Pumpe in der Brust noch tut, wie sie es soll.
Die Landschaft belohnte das Wagnis jedenfalls. Zwischen den Dünen befinden sich topfebene Vleis, ausgetrocknete Seen, und auf diesen stehen skelettartige tote Bäume. Eine unwirkliche Landschaft.
Wir konnten uns kaum sattsehen hier und stellten einmal mehr ein merkwürdiges Phänomen fest: In der Wüste scheinen wir das Zeitgefühl zu verlieren. Womit das zusammenhängen mag?
Bereichert mit unvergesslichen Bildern machten wir uns mit der über den Dünen untergehenden Sonne im Rücken auf den Weg zurück nach Sesriem. Gutmütig führte uns unser Wagen durch die Weiten der Namib. In uns: Stille. Ruhe.
Daniel 12. Oktober 2019
Cool gemacht mit der ungewohnten Fahrt im Sand! Ich erinnere mich – ich musste mich damals auf dem Weg nach Dune 45 abschleppen lassen… Ich weiss nicht was schlimmer war: a) der (vergebliche) Versuch des Freischaufelns bei 40 Grad oder b) die Schimpfis meiner Partnerin oder c) die spöttischen Blicke anderer Fahrer, welche es besser machten… Allzeit gute Fahrt! LG Daniel
Stefan und Steffu 12. Oktober 2019 — Autor der Seiten
Tschou Daniel
Uh, ja, das können wir uns gut vorstellen 🙈. Genial beschrieben 😁. Vielleicht hatten wir Dusel, zumal wir zu viel Luft in den Reifen hatten. Jedenfalls schwitzte ich auch etwas Blut.
Hakuna Matata! Alles wird gut
Stefan