Die Geschichte Venedigs ist untrennbar mit den Dogen und deren Räte verbunden. Ein Doge (von lat. Dux) war eine Art Chef, also eigentlich DER Chef der Republik Venedig und als solcher mit ziemlicher Macht ausgestattet. Der Dogenpalast war selbstredend der Palast der Dogen, aber nicht nur – die privaten Gemächer des Dogen nahmen einen vergleichsweise kleinen Raum ein – vielmehr tagten im Dogenpalast die verschiedenen Räte; die Signoria (Doge + 6 Berater), der Rat der X (Doge + 9 Mitglieder) als Staatsschutzbehörde, das Kollegium (Doge + 10 Savi), der Rat der 40 (oberstes Gericht), der Senat (bis 300 Senatoren), und der Grosse Rat (bis 2700 Mitglieder [!]). Dazu kamen eine Aufsichtsbehörde (Avogardori di Commun), Prokuratoren und eine Dogenkanzlei, was es in einem vernünftigen Staat halt so braucht.
Neckisch war auch die Wahl des Dogen, wie ich einer online-Enziklopädie entnehmen konnte. Das muss man sich mal reinziehen: Wählbar waren Mitglieder des Großen Rates, von denen jeder eine Loskugel in einer Urne deponierte. Auf dem Markusplatz wurde ein etwa zehnjähriger Knabe ausgesucht, der aus der Urne 30 Loskugeln zog. Die 30 Kugeln wurden durch das Los auf 9 reduziert. Diese 9 wählten 40. Die 40 wurden durch das Los auf 12 reduziert. Diese 12 wählten 25. Die 25 wurden durch Los auf 9 reduziert. Diese 9 wählten 45. Die 45 wurden durch Los auf 11 reduziert. Diese 11 wählten 41. Die 41 nominierten den Dogen zur Billigung durch die Versammlung. Das Quorum für die Wahl des Dogen war 25 Stimmen. Und der Knabe gehörte nach der Wahl zum Gefolge des Dogen. Alles klar? Dagegen ist ein Konklave geradezu ein Klacks.
Wir erkennen: Wenngleich das venezianische Staatswesen von kompliziert in Richtung des Grotesken tendierte, so war es gewiss wohl durchdacht und machte bestimmt Sinn, Stichwort Machtdiffusion – auch bis dato das einzig wirklich wirksame Mittel gegen Korruption in einem jedem Staate.
Dogen wurden übrigens auf Lebzeit gewählt, durften nicht zurücktreten, konnten aber von der Signoria abgesetzt werden.
Von all dem bekommen die Hundertschaften Touristiker, zu denen wir heute wohl auch gehörten, nicht viel mit, wenn sie für € 25.— (Geviertstrich) durch den Dogenpalast joggen. Leider gibt auch der Audio-Guide (€ 5.— + Hinterlegung eines Ausweises) solches nicht her.