„Pack die Badehose ein, nimm Dein kleines Schwesterlein und dann fahr‘n wir an den Wannsee.“ Diese Zeilen aus dem Sechzigerjahre-Schnulzen sollen heute unser Motto sein. Wobei es uns weniger um den Wannsee, sondern mehr um das Fahrradfahren an diesem Prachtstag und um Historisches geht.
Die ersten Kilometer waren allerdings nicht so doll. Vierspurige Hauptstrasse ohne Fahrradweg. Also die Strasse an sich wäre nicht so das Problem, schwieriger wird es mit dem Verkehr drauf. Und da das Kurzparken auf der rechten Fahrspur hier durchaus beliebt ist, mussten wir oft die Spur wechseln und dabei darauf achten, nicht totgefahren zu werden. Aber es ging. Generell geht Fahrradfahren in Berlin super. Die rot gezimmerten Fahrradwege sind zumeist parallel zur Strasse auf den Gehsteigen geführt und das Queren der Strassen erfolgt dann einfach zusammen mit den zu Fuss Gehenden. Man muss einfach darauf achten, nicht von Taxis plattgemacht zu werden und die Fussgänger im Griff zu haben, die oft nicht merken, dass sie sich auf die Fahrspur für Fahrräder begeben. Und dann sind da noch die Fahrradfahrer*innen an sich, welche unterschiedliche Tempi anschlagen. Also alles in allem i.O.
Während ich so über das Fahrradfahren nachdachte, lichteten sich allmählich die Häuser und irgendwann war da Wald. Was aber (leider) nicht hiess, dass da weniger Verkehr war. Das war etwas schade. Aber nach einigen Kilometern Streckenführung parallel zur Havel – Steigung, Gefälle, Steigung, gefolgt von Gefälle etc. pp. – erreichten wir schliesslich Wannsee, also Wannsee See und Wannsee Ort. Das eine war wohl namensgebend für das andere und umgekehrt.
Die Adresse Wannsee 56-58 war nicht der eigentliche Grund für den Ausflug, aber weil absolut nicht ab vom Schuss, besuchten wir also die Villa, an welcher im Februar 1942 die Wannseekonferenz stattfand. Ruhig und erhaben steht die Villa am Ufer des Wannsees. Im Innern erzählen Schautafeln und Tondokumente die Schrecken und Greueltaten der Judenverfolgung und -vernichtung durch die Nazis. Ein mulmiges Gefühl überfiel uns, als wir im Speisesaal standen, wo 1942 die Organisation der „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde.
Die Eindrücke dieses Holocaust-Mahnmals klangen noch nach, als wir neben der Villa im Restaurant Bootshaus Bolle die Aussicht auf das gegenüberliegende Strandbad von Wannsee genossen. Die Pfaueninselchaussee führte uns durch den Wald zu einer lauschigen Bucht. Die Strecke heisst bezeichnenderweise Mauerweg, folgt das Strässchen doch dem ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer.
In einer malerischen Bucht verlockte die Musik eines Geigespielers und das pittoreske Wirtshaus Moorlake uns dazu im Gartenrestaurant eine Kaffee- und Kuchenpause einzulegen. Schade wurde die schöne Stimmung durch die schlechte Laune des Kellners getrübt, der uns doch tatsächlich anschnauzte, weil ich mit iPad Tagebuch führte und Steffu auf dem Tolino einen Roman las. Das sollte sich dann nicht wirklich optimal auf das Trinkgeld auswirken – wir liessen neben dem geschuldeten Betrag zwei Cent liegen … wir hatten gerade keine Eincent-Münze verfügbar, sonst hätten wir diese dagelassen.
Bei Kilometer 38 erreichten wir schliesslich die Glienicke-Brücke, welche das primäre Tagesziel darstellte. Die Glieicke-Brücke verbindet den Westen Berlins mit Potsdam. Seinerzeit trennte sie allerdings Westberlin von der DDR und zwar an einer abgelegenen Stelle. Weil dadurch wenig potenzielles Publikum vor Ort war, schien sie den West- und Ostmächten der ideale Ort, um gefangen genommene Agenten auszutauschen. Der bekannteste Agent war Rudolf Iwanowitsch Abel, geboren als William Genrikowitsch Fischer aka Rudolf Ivanovich Abel, William Genrikowitsch Fisher, Emil Robert Goldfus, Frank, Marc, Andrew Kayotis, Martin Collins – so viel zum Thema Decknamen. Er war einer der erfolgreichsten Agenten der UdSSR in den USA. Er war unter anderem am Verrat von amerikanischen Atomgeheimnissen an die Sowjetunion beteiligt. Um dessen Austausch ging es in Steven Spielbergs Film „Bridge of Spies“ von 2015. Wir also auf, an und unter dieser Brücke. Grenzer waren allerdings keine mehr zu sehen, Schlagbäume auch nicht und selbst Tom Hanks war nicht da. Wahrscheinlich ist das Alles aber lediglich so geheim, dass wir das nicht sahen.
Da die Glienicke-Brücke irgendwann keine weiteren Neuigkeiten preis gab, fuhren wir dem Volkspark Klein-Glienicke entlang in Richtung Potsdam. Die Gegend ist der Wahn. Badende (textil oder auch frei davon) und Hohenzollernschlösser wechselten sich ab. Ein Schloss am andern. Da war Geld vorhanden. Das bekannteste davon, Schloss Sanssouci, UNESCO-Welterbe, besuchten wir nach dem Festmachen der Bromptons (inkl. Staffordshire Terrier).
Den Ausflug schlossen wir mit dem Besuch der angedeuteten, weil wohl im Weltkrieg arg in Mitleidenschaft gezogenen Altstadt von Potsdam. Im Bahnhof lösten wir Fahrkarten für die S7, welche uns in einer 40 Minuten dauernden Fahrt zurück nach Berlin brachte. Wir haben heute eine ganz schöne Strecke mit den Fahrrädern zurückgelegt. Der Zähler zeigte schliesslich 52 Kilometer an.