Jeremias war auch schon in Carcassonne, aber das sei lange her. Er war damals noch schwer Kiddie und die Erinnerungen in entsprechendem Zustand. Also sorgten wir für ein gerüttelt Mass an Auffrischung. Unsereiner war im Gegensatz dazu als Kiddie kein einziges mal in den hiesigen Breitengraden, dafür in den letzten dreissig Jahren gefühlt 26-fach. Aber Carcassonne ist wie Crèmeschnitten essen, das geht auch immer.
Früher gab es Kreuzzüge und Stadtbelagerungen. Heute stürmen jährlich vier Millionen Touristiker die Stadt. Ich weiss ja nicht, was besser ist. Früher war nicht alles besser. Aber vieles war gut! Item. Nicht, dass wir speziell darauf gezielt hätten – das ergab sich mehr so weil halt wach – aber wir stellten alsbald fest, dass es sich lohnen sollte, morgens um neune in die Stadt rein. Du wirst also sogar des berühmten Stadttores ansichtig mit Lichtbildmöglichkeit ohne eine einzige Nase drauf. Das kannst du hier sonst so ziemlich knicken. Vor allem im Sommer. Der Hochsaison der Touristen und Taschendiebe.
Morgendliche Fahrradtour in Carcassonne
Wir also in die Stadt rein und Burg und Selfie und Kathedrale und alles und alsbald fanden wir uns inmitten von bestimmt 200 spanischen Kids wieder. Schon beim letzten mal war hier alles voller Spanier. Carcassonne scheint bei denen Schulfach zu sein. Und also irrlichterten sie auch umher, mit Zetteln in den Händen. Hatten wohl Aufgaben zu lösen. La Inquisitión schreibt man mit „ó“. Und der Don Quixote wurde von Miguel de Cervantes geschrieben. Aber dessen sympathischer Antiheld ritt zusammen mit seinem treuen Sancho Panza wohl in Spanien gegen die Windmühlen und nicht in Carcassonne gegen Crèpesstände an.
Auf dieser Reise ist mir der Jeremias treuer Freund und Malibu ist das Pferd und die französischen AKWs die Windmühlen. Ich rufe mir die Bilder von Darstellungen und Statuen der beiden Helden des Romans in Erinnerungen. Nehmen wir sie sinnbildlich für unsere Reise, wäre wohl ich der Sancho Panza. Der war auch untersetzt und dick und so wunderbar kontrastierend zum hochgewachsenen Ritter Don Quixote, dem unser Jeremias doch mehr zu gleichen vermag als ich.
Auch bei #27 noch einen Besuch wert – danach geht es allmählich weiter Richtung Norden
Wir reiten nun wieder, Jeremias fest im Sattel, die Zügel in Form eines Steuerrades in den Händen. Ich nebenan, den Blick beim Sammeln der Gedanken auf der Fahrbahn, beim zu Pergament bringen auf dem iPad. Die grosse Halbachse kam bei Carcassonne tangierend zu liegen, die ballistische Kurve zeigt nun wieder Richtung Schweiz. Jede Reise muss sich irgendwann dem Ende zuneigen. Es sei denn, man sei die letzte Reise angetreten. Aber bevor wir so tun, Jeremias statistisch gesehen gut zwanzig Jahre nach mir, wollen wir noch so manche Reise antreten. Don Quixote und Sancho Panza reiten schliesslich auch seit nunmehr 450 Jahren. Mögen sie noch viele Abenteuer erleben.