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Stefan & Steffu's travels

Wind in der Seele

Wer seine Ferien nicht auf dem Ereignishorizont hat, geniesst zwar um den Nachteil der Ermangelung an Vorfreude den Vorteil, dass diese plötzlich Tatsache sind. So geschehen. Ich eben noch im Bunker, Stefan beim Unterrichten eines Moduls an der Pädagogischen Hochschule. Letzterer hatte sich jedoch bereits den Malibu umgeschnallt und ich fand mich kurz nach dem Verlassen der Amtsstube an einem vorher bestimmten und nicht weiter auszuführenden Einkolonnierungspunkt ein.

Nachdem einiges an liegengebliebenen Nachrichten abgearbeitet war – selbstverständlich ritt ich Shotgun und war dieserweise Grobfahrlässigkeit vermeidend nicht selber am Ruder – liegt Freiburg im Breiselbeergau bereits hinter und das weite Deutschland asphaltiert und nordorientiert vor uns.

Speyer aus der Vogelperspektive

Shotgun bedeutet auch Kartenstudium. Beim Schlaumachen, wo wir denn einen Haken schlagen müssen, um dieses eine mal nicht gen Skandinavien zu fahren, fiel mir auf, dass von eben diesem Autobahnkreuz Speyer gerade mal achtzehn Kilometer entfernt liegt. Manche werden von Amphetaminen und dergleichen hellwach, bei mir genügt ein Begriff wie SpeyerSpeyer. Na? Eben. Da Cluny eingeebnet wurde, man sollte sie POST MORTEM einklagen, diese Wandaffen, ist der Kaiser- und Mariendom zu Speyer der grösste romanische Sakralbau. Und zwar nicht bloss des Romanenreichs, sondern der ganzen Erdenscheibe. Nachdem wir früher mehr in Gotik machten, sind wir heute der Romanik doch sehr zugetan. RomanikRomainmôtierPayerneCluny. Rund- anstelle von Spitzbögen. Ihr wisst schon. Geil. Oder anders formuliert. Müssen. Da. Hin!

Das grösste romanische Bauwerk der Welt: der Dom zu Speyer

200 Kilometer an der Zahl sind es bis dort, 140 liegen hinter uns. Das schafft Malibu heute noch. Schliesslich hatte er soeben eine Pause für ein Nickerchen und wir uns zwei Currywürste reingetan. Dergestalt ausgeruht und gestärkt geht das.

Ein paar Stunden später um sechs fünfundvierzig aus dem Schlaf aufgeschreckt, ummassen wir alsbald schon den Speyerer Dom und fanden in der trotz Sonnenschein noch schlafenden Stadt immerhin eine offene Bäckerei, welche neben Backwaren auch Heissgetränke feilbietet.

Die Krypta des Doms: letzte Ruhestätte der salischen Kaiser-Dynastie

In Speyer ist noch nicht viel zu wollen, aber in der Bäckerei Grötz tanzt der Bär, vermutlich weil sonst nichts offen ist. Derweil Stefan am Kaffeebezug arbeitete, las ich schon mal auf dem iPad in der Frankfurter Allgemeinen. So fällt fast nicht auf, dass wir nicht Deutsche sind. Zumindest solange wir nicht sprechen. Ich mag es in jeweils beheimatetem Volk unauffällig eintauchen zu können. Mit unserem Gesühn ist das leider nur in Teilen der Welt möglich. In solchen Fällen wäre es wohl ganz gut Vorfahren aus Afrika, Asien, Ozeanien, den AndenVulkanien und von Riegel 4 zu haben. Da hätte man dann so ziemlich alle Einflüsse auf sich vereint und ginge wohl überall einigermassen durch. Aber in Speyer klappt das mit unserer zentraleuropäischen und von den Wintermonaten akzentuierten Bleichheit ganz gut. Deutsches Gardemass haben wir allerdings beide nicht. Aber uns wird mit Toleranz begegnet. Vielleicht auch wegen des guten Wetters. Unterdessen ist halb zehn und der Dom offen. 

Speyer: hübsch, aber rasch erkundet

Dreiviertel zwei haben wir Baden-Württemberg bereits erneut durchmessen, heute jedoch nicht von Süd nach Nord, sondern von West nach Ost. Jetzt sind wir in dem Söder seinem Bayern. Auch schön. Also Bayern. Wenn wir in Bayern waren, dann zumeist in dessen Süden, also mehr so KemptenMünchenBenediktbeuren, Kühe und Burghausen. Heute darf es aber das nördlichere Nürnberg sein. Wir wollen die Herr- und Damschaften Spencer Tracy, Montgomery Clift, Maximilian Schell und Judy Garland besuchen gehen. Mal schauen, ob sie zu Hause sind. Und sonst kann Nürnberg ja vielleicht auch noch was, man weiss es nicht. 1946 wurden da die Sympathieträger Jodl, Bormann, Frank, Kaltenbrunner, Keitel und von Ribbentrop gehängt.

Bedrückender Ort in Nürnberg: hier liessen die Nazis die jubelnden Menschenmengen aufmarschieren

In Speyer hatten wir Glück und gerade noch einen Stellplatz gekriegt. In Nürnberg hatten wir erneut Glöggeli und uns rasch das letzte Plätzchen sichern können. Den Wagen mit dem Lineal ausgerichtet, versuchte bereits ein Weiterer sein Glück. Drei Minuten später eingetroffen, hätten wir also wieder von dannen ziehen müssen. Mikro- anstelle Makroraum bedeutet umsteigen auf Nahverkehrsmittel und bald schon waren wir mit unseren Bromptons vor der von Albert Speer erbauten Zeppelinhauptbühne mitsamt Führerkanzel des Aufmarschgeländes im Reichsparteigelände. Na denn mal prost.

Nürnberg bietet eine malerische, mittelalterliche Altstadt mit Kaiserburg und tolle Naherholungsgebiete

Die Nürnberger Altstadt gefiel uns dann schon besser. Nachdem wir uns durch die Umfassungsmauer durch in die allgemeine Erregung gemengt hatten und vorbei an Kathedralen und über die Pregnitz hoch zur Kaiserburg pedalt waren, befinden wir uns durchaus nicht mehr im Zweifel, dass Nürnberg es sogleich unter die top Fünf unseres deutschen Städterankings geschafft hat. Trier ist somit raus. Wenn die Sechste die Fünfte überholt hat, wird sie dem Gesetz der Logik folgend selber zur Fünften und nicht etwa zur Vierten und die Fünfte zur Sechsten. Die Judy Garland und ihre Kollegen haben wir im übrigen nicht angetroffen. Man kann nicht alles haben. Durch SpeyerNürnberg und dem milden Frühlingswetter haben wir heute aber viel frischen Wind in die Seele bekommen.

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2 Kommentare

  1. Pavel 11. April 2025

    Freue mich aufs morgen 😉 Gute Reise und viel Spaß

    • Stefan und Steffu 11. April 2025 — Autor der Seiten

      Wir freuen uns auch schon riesig! Bis morgen!

Antworten

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