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Stefan & Steffu's travels

Komplizierte Verhältnisse

In fast alles, was hier zu Stein wurde, haben sie einst Hieroglyphen reingetan. Seit Tagen erfreuen wir uns an den hübschen Bildchen und können die Dinger nicht lesen. Das nervt. Zurück aus dem Luxor-Museum begannen wir also gestern mit einem Studium der Hieroglyphen. Leute, das ist im Fall noch so eine Sache. Ich meine, es hat schon einen Grund, wieso während annähernd zweitausend Jahren niemand diese mehr lesen konnte. Ägyptische Hieroglyphen operieren nämlich als semasiografisches Schriftsystem, kombinieren also logografische, syllabische und alphabetische Elemente, wobei bestimmte Glyphen kontextabhängig breit gefächert eingesetzt werden können. Dies bedingt eine multidimensionale Textinterpretation, die pragmatische, syntaktische und ikonologische Aspekte verknüpft. Man bekommt in der Gesellschaft der alten Ägypter einen komplizierten Intellekt. Zudem gab es ursprünglich an die 800 verschiedene Zeichen, welche sich im Verlauf der Zeit zudem veränderten und schliesslich in der ptolemäischen und römischen Zeit auf gegen 5000 erweitert wurden. Um den Spass perfekt zu machen versteht sich, dass, gesetzt du hast diese a) im Griff und hast b) jeweils herausgefunden, in welcher Reihenfolge diese zu lesen sind, dann hast du einen altägyptischen Lauttext. Sprachlich wäre dagegen nichts einzuwenden, du musst den nun c) noch verstehen. Wir wollen ein Beispiel machen: Du hast also die Hieroglyphen einsortiert und korrekt (!) transkribiert. Nun sagen sie Dir «Djed medu in netjer aa neb pet ta her-ib nefer ir neferu Ra ma’a heru.» Von da an ist es nun nicht mehr weit und du weisst: «Ein Ausspruch des großen Gottes, Herrn des Himmels und der Erde, der im Herzen schön ist und der die Vollkommenheiten des Re erschafft, der gerechtfertigt ist.»

Übersetzung der Redaktion unbekannt. Zuschriften werden gerne entgegengenommen

Wir erkennen: Nun kommt mit Re ein neues Element in die Gleichung. Das ist wichtig. Um nun logisch weiterdenken zu vermögen, wollen wir eine uns bekannte Religion vergleichend beiziehen, das Christentum bietet sich dazu an: Unser Alphabet hat 26 Buchstaben zuzüglich drei Umlaute. Die Satzteichen lassen wir der Einfachheit halber mal weg, wir werden unter dem Strich dafür die ägyptischen Kartuschen wegkürzen, dann geht das. Wir haben also 26+3 Buchstaben, α|Α bis ω|Ω, Gott und der Teufel, dazwischen 27 Cherubim, Erzengel und Jünger. Ungefähr. Wir wissen bereits, dass es im alten und neuen Reich, also im ägyptischen, nicht im christlichen, gut 800 Hieroglyphen gab. Nun müssen wir nur noch 1 und 1 zusammenzählen und uns muss sich eine Folgerung aufdrängen: Genau, wer so viele „Schriftzeichen“ hat, ist auch zu hunderten Göttern fähig, man geht von gegen 1500 aus. Dichtestress im ägyptischen Jenseits. Das vermögen wir uns nicht so recht vorzustellen, aber es hat bestimmt etwas Aufrechtes.

Hieroglyphen im Selbstversuch – noch schöner, als mit Emojis zu schreiben

Den Göttern werden wir uns morgen zuwenden. Heute müssen wir noch in Sachen Hieroglyphen besser werden. Sollten wir dereinst nach unserem Ableben dem Krokodilgott Sobek begegnen und ihm nicht seinem Sinn entsprechend Red und Antwort stehen können, uns drohte die Köpfe abgebissen zu bekommen. Wir erinnern uns an die Narmer-Palette mit den Köpfen zwischen den Beinen.

Der Tempel von Karnak im Lichtspektal und mystischer Musik gehüllt

Heute sind wie erst 18:30 Uhr aufgeboten. Irgendwie beginnt unser Programm mit jedem Tag später. Bei einer einer Ton- und Lichtshow im Karnak-Tempel macht das wohl auch Sinn. Wir sitzen also an der nachmittäglichen Bar am Pool, Blick auf den Nil. Ahmed wirkt genervt und schimpft. Wir verstehen ihn nicht, aber das scheint auch nicht so wichtig.

Blick vom Ufer der Lebenden zum Ufer der Toten

Fasl mussten wir übrigens nicht fragen, weshalb wir gestern erst um 17:00 Uhr ins Luxor-Museum gingen. Es öffnete erst um diese Zeit.

Der Obelisk zeigt auf den Gürtel des Orions

Stefan liest mir gerade folgenden Satz aus seinem Buch Pade, J. (2024). Quantenmechanik (2. Auflage). Berlin: Springer-Verlag vor: «Während die klassische Mechanik die zeitliche Entwicklung des Faktischen beschreibt, beschreibt die Quantenmechanik die zeitliche Entwicklung des Möglichen.» Möglich ist auch, dass wir in post-faktischen Zeiten leben. Zumindest diesbezüglich waren die Dinge im alten und mittleren Reich einfacher, da herrschte die Macht des Faktischen.

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