Kein Netz, kein WiFi, kein nichts in Widecombe in the Moor. Digital detox im Dartmoor Nationalpark. Wir stehen hinter der Kirche St. Pancras aus dem 15. Jahrhundert. Schemenhafte Gestalten wandeln im Dunkeln neben dem Friedhof zombiegleich umher. Ich glaubte schon, dass hier tatsächlich Untote umhergehen, aber es waren Kiddies, die verzweifelt Netz suchten. Ohne geht heutzutage nichts mehr. Also auch kein Blog. Es dauerte etwas, bis ich darauf kommen sollte, dass diesen zu schreiben ich mich dennoch durchaus anschicken könnte. Ja müsse! Denn ist es nicht die Pflicht eines jeden Reisenden Kunde zu tun und Zeugnis von dem abzulegen, was er erlebt? Auf dass es ihm hernach andere gleich tun können. Eben. Bronze Age.
Tavistock – nördliches Tor in den Nationalpark Dartmoor
Bronze Age also. Dieser Titel musste ja kommen, nachdem der vor-vor-vor-vor-vorletzte Beitrag Iron Age hiess. Der Dartmoor Nationalpark kann ziemlich viel. Unter anderem schien es vor viertausend Jahren hier mehr bronzezeitliche Rundbauten gehabt zu haben, als dass hier heute Häuser stehen. Da tanzte der Höhlenbär und nicht zu knapp. Es ist gut beraten sich zu deren Besuch wasserfestes Schuhwerk anzuschnallen, wer sich in der Moor wagt. Dieses schmatzte bedrohlich unter unseren Füssen. Anfänglich hatte ich ein gutes Gefühl, dass Stefan und ich heute noch eine Moorleiche finden sollten. Ihr wisst schon: Grauballe-Mann, Tollund-Mann, Ötzi. Nein, der Ötzi nicht, der war schockgefrostet, das ist eine andere Technik. Wir waren also gleichsam auf der Suche nach Steinkreisen, Rundhäusern, Menhiren und eben Moorleichen. Die Schmatzgeräusche wurden stets bedrohlicher und allmählich schwante uns, dass womöglich wir die Moorleichen sein könnten. Das wäre auch ein Beitrag zur Kulturgeschichte. Wir hätten ein Barryvox mitnehmen sollen.
Mehr als 4000 Jahre alte Steinmonumente. Wozu haben sie wohl einst gedient?
Nicht so monumental wie Stonehenge, aber trotzdem eindrücklich: bronzezeitlicher Steinkreis in Merrivale
Wir beruhigten uns damit, dass die meisten Moorleichen bekanntermassen nicht unfallweise zu solchen wurden. Sie hatten einen Strick um den Hals (Tollund-Mann) oder einen ziemlich wüsten Schnitt durch diesen (Grauballe-Mann). Ich blickte links und rechts über die Schultern. Keine Mörder in Sicht, nur Schafe. Und Pferdchen.
Die Strasse gehört den Schafen und Dartmoor-Ponys
Ich sage Euch, die frei lebenden Dartmoor-Ponys sind soooo niedlich. Da müsstest Du nur noch je ein verdrehtes Horn anbringen, sie rosa sprayen und Strass und Glitter über sie werfen und fertig wären die Einhörner und du voll in Disney-Land. Und wenn die Ponys noch kürzlich geschlüpfte Hatchlings dabei haben, möchte man losstürmen, smotsch, smotsch, smotsch zu diesen rennen und sie knuddeln. Aber die wollen nicht. Die soon-to-be-Moorleichen stören sie nicht, aber dann auch nicht zu nah. Es sei denn, sie stehen auf der Strasse und du kommst mit dem Van an. Da bist du nie zu nah. Das ist denen komplett wurst. Obwohl objektiv gesehen viel gefährlicher – weisch wie! Auch die ganzen Schafe. Auf der Hauptstrasse liegen, kein Problem. Ist wohl unterhaltsamer als immer nur grasen. Aber wehe du würdest aussteigen, da wäre Panik und Massenflucht. Die Natur ist auch nicht mehr das, was sie mal war.
Mittagsrast im Dartmoor Inn Merrivale und Zwischenhalt bei der mittelalterlichen Clapper Bridge
Ob der ganzen Action darf man das Eigentliche, also das Bronzezeitliche nicht vergessen. Und Zeugnisse dieser Zeit hat es in der Tat in Hülle und Fülle. Die mit Steinen angelegten und annähernd schnurgeraden und 340 m langen Bahnen erinnern unweigerlich an einen Flugplatz. Mit Graspiste. Es ist nicht bekannt, was es damit auf sich hatte. Gleich nebenan befindet sich ein Steinkreis. Und die Siedlung Merrivale. Die fünfzig Rundhäuser, welche sich alleine in dieser Siedlungen befunden haben, sind auch nach vier Jahrtausenden selbst für nicht archäologisch Geschulte problemlos erkennbar. Eindrücklich.
Bronzezeitliche Siedlung Grimspound
Darob ganz verzückt, suchten wir ein paar Kilometer entfernt die bronzezeitliche Siedlung auf, welche heute Grimspound genannt wird. Die Leute legten sauber zwischen zwei Erhebungen wohl windgeschützt eingebettet und dennoch mit gutem Überblick auf das umliegende Gelände ihre Rundhäuser an. Damit das ganze passt, machten sie gleich noch eine ziemlich beeindruckende und massive Mauer um den ganzen Perimeter herum, auch die Tore: Aus Stein. Viertausend Jahre konnten den Spuren nicht viel anhaben.
Auf folgendes kommt man aber nicht ohne Weiteres: Damals war hier alles voller Wald. Holz war zu dieser Zeit der einzige Betriebsstoff und entsprechend begehrt. Dass die Landschaft heute ein Moor ist, liegt daran, dass alles abgeholzt wurde. Es fand also eine bronzezeitliche Umweltkatastrophe statt. Menschgemacht.
Die Strassen nach Widecombe in the Moor sind teils sogar mit eingeklappten Rückspiegeln zu eng
Nachtrag: Heute Morgen war unser Van Teil einer Goggohüü-Herde. Unsere Van-Nachbarn waren ihrerseits ziemlich schnell wach, weil ihnen ein Pferd zuerst den Hocker umkehrte, um sich danach rückwärts auf den Van zu setzen. Die werden wohl erschrocken sein. Die Zeitung zum Tee wurde heute Morgen jedenfalls durch Life-Entertainment ersetzt. In Ermangelung an Netz hätten wir diese auch gar nicht herunterladen können.
Daniel 19. Juli 2024
„Denn ist es nicht die Pflicht eines jeden Reisenden Kunde zu tun und Zeugnis von dem abzulegen, was er erlebt?“ – Nein, Pflicht ist es nicht, aber immer interessant zu lesen! Vielen Dank für eure Reise-Insights in flotter (kurzweiliger) Sprache dokumentiert und weiterhin eine erlebnisreiche Reise! Sonnige Grüsse aus Bern, Daniel
Stefan und Steffu 20. Juli 2024 — Autor der Seiten
Greetings to you, Daniel
Danke Dir für Deine Nachricht und die schönen Grüsse. Toll, dass Du mit uns auf der Reise bist.
Sommerliche Grüsse aus Grossbritannien, Steffu