Exploring the world

Stefan & Steffu's travels

Maximalinvasiv over the Channel

In britischen Fahrzeugen ist das Steuerrad rechts verbaut. Auf diese Weise kann ich jeweils herleiten, wo auf Schiffen Back- und wo Steuerbord liegt. Und weil sie eben Ihre Steuerräder rechts hintun, wird in Grossbritannien im Gegensatz zu Festlandeuropa links gefahren. Bei den Übergängen von Links- zu Rechts- und Rechts- nach Linksverkehr könnte es an Landesgrenzen zu heillosen Chaossituationen, Massenkarambolagen, bis hin zur Rückkehr des Antichristen kommen. Armageddon! Horror! Damit dies nicht geschieht, wurde zwischen England und Kontinentaleuropa der gut 560 Kilometer messende Ärmelkanal verbaut, der die Fahrmodalitäten sauber voneinander trennt. Zuvor konnte man bis zum Ende der letzten Eiszeit über weite Strecken einfach zwischen der späteren Insel und dem Reich der Franken rüberlatschen. Und welche kulturelle Errungenschaft fiel plusminus mit dem Ende der letzten Eiszeit zusammen? Richtig, die Erfindung des Rades und von diesem war es auch nicht mehr weit zu Doppelkupplungsgetriebe, Trockensumpfschmierung, Radnabenmotor und Multifunktionslenkrad, wahlweise links oder rechts verbaut, mit entsprechend gegengleich angebrachten Blinker- und Scheibenwischerhebeln.

Damit der Übergang sauber sackt, werden die Reisenden in Calais in ihren Fahrzeugen zuerst vom französischen, dann vom britischen Zoll pass- und fährticketgeprüft und auf unzähligen Lanes einsortiert und fährtauglich gemacht. Vor dem Boarding müssen sie zudem im Duty Free literweise Whisky und weitere Spirituosen erwerben und können die Fähren bewundern. Schwachsinnig, was alles auf eine solche Fähre passt. 40-tönner nehmen sich auf einmal wie Spielzeugautos aus. Unser Malibu durfte auf Deck 5 stehen und hatte die riesige Halle anfänglich für sich alleine.

Wie ausgeführt, ist der Kanal ein paar hundert Kilometer lang, aber zum Übersetzen kann quer dazu gefahren und dieser an der schmalsten Stelle zwischen Calais und Dover in gerade einmal 34 Kilometern durchmessen werden. Um Kilometer 17 springt die Sonne dann um einige Bogenminuten Richtung Osten und die Uhren dürfen um eine Stunde zurückgestellt werden. Die Reisenden gewinnen so also eine Stunde, die sie bei der Rückfahrt allerdings wieder abgeben müssen.

In Dover angekommen gilt ab sofort links. Anfänglich ist sowieso mehrspurig Einbahn, damit man sich das Gehirn nach der Zeit- auch noch auf die Fahrbahnumstellung gewöhnen kann. An der Wahrnehmung der Zeit sind – es mag uns nicht in Erstaunen zu versetzen – mehrere Hirnregionen beteiligt. Beschränken wir uns der Einfachheit halber darauf, dass in Sachen Zeitintervallen schwergewichtig die Basalganglien sowie der suprachiasmatische Nucleus zu Gange sind, wobei letzterer vor allem an der Grenze von Tag und Nacht mit der Zeitumstellung gewisse Probleme kriegt. Beim Wechsel von Rechts- auf Linksverkehr sind dem Gegenüber vor allem die Hirnhemisphären gefordert. Dann muss nämlich die linke Hirnhälfte, in welcher Rechtsverkehr üblicherweise und schwergewichtig prozessiert wird, Leistung über das Corpus Callosum an die rechte Hemisphäre abgeben, welche fürderhin den Linksverkehr wird handeln müssen. Betroffene merken oft erstaunlich wenig von dieser Umstellung. Dies liegt daran, dass der Wechsel vom lateralen Kollaterallappen unterstützt wird. Neurologie – herrlich! Dass Tauben beim Gehen bei jedem Schritt so deppert mit dem Kopf nach vorne und zurück machen, hat übrigens auch neurologische Gründe. Zur besseren Rundumsicht haben die die Augen ja komplett gegenüber montiert. Das geht dann schwerst zu Lasten von 3D. Nun machen sie den Trick mit dem Kopf und erzeugen so die Triangulation, welche bei nebeneinander liegenden Augen sonst default verbaut ist. Gar nicht mal so dumm, weil sie so bestimmt an die 300 Grad 3D-Bilder haben.

Hat es sich also mit der Zeitumstellung und dem Linksverkehr? Fast. Wäre da nicht noch die Sache mit den Meilen anstelle von Kilometern. Autofahrer*in muss nun nämlich noch umrechnen. Das ist gar nicht so schwierig, weil es ganz gut aufgeht mit dem Faktor 1.61, welcher allerdings nicht verwechselt werden darf mit dem von nautischen Meilen (1.852). So sind 30 knapp 50, 40 entsprechen 65, 50 80 auf dem Tacho, 60 95 und bei 70 (110) ist ohnehin Schluss. Wobei ich mich frage, weshalb die die Strassenschilder in Meilen pro Stunde versehen, wenn dann auf dem Tacho doch km/h stehen. Sei‘s drum. Lebenspraktisch sind die Geschwindigkeitsangaben sowieso eher theoretischer Natur. Die Strassen erlauben die in Meilen angegebenen Tempi nämlich knapp in Kilometern pro Stunde. Und so können wir uns voll auf die Fahrbahn konzentrieren und das ist auch bitter nötig, ist diese doch schmal, mit abartigen Schlaglöchern ausgerüstet, links mit Hecken und oben links mit Ästen limitiert. Noch mehr Herausforderungen für das Gehirn.

Aber für heute ist nach den mannigfaltigen neurologischen Strapazen Schluss. Wie 2022 sind wir wieder im Raum Hastings im Ort Battle. Der Name ist Programm. Wir erinnern uns: Hastings 1066. Ein grausiges Klopfen. Da konnten Hirne sogar en detail studiert werden. Dann allerdings in nicht mehr funktionsfähigem Zustand. Minimalinvasiv geht anders. 

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