Der Vesuv ist der gefährlichste Vulkan der Welt. Ein Ausbruch ist lange überfällig. Gleich zwei gute Gründe, so kamen wir mit gelockerter Vernunft überein, dass wir das vor Ort untersuchen sollten. Ich sehe uns schon mit von Bewunderung getrübten Augen in dessen Schlund blicken und hepp – ein paar tausend Tonnen Magma und Pyroklastika auf unsere Körper drauf. So kann man auch aus dem Leben scheiden. Aber ganz unter uns: Es ist mir lieber, wenn uns der Vesuv dahinrafft, als dass uns der Spinner östlich der Ukraine nuked. Im Gegensatz zu einer thermonuklearen Explosion ist eine vulkanische Eruption immerhin bio.
Vieni, andiamo …
Nicht direkt bio, aber viel besser wie reisen mit Flygskam, ist unsere Anreise nach Kampanien – wir fahren drum mit dem Zug hin, Malibu hat Schonzeit. Der Blick links aus dem Fenster sagt mir: Wallis. Also a priori ist gegen das Wallis nichts einzuwenden, aber für heute muss es sich bescheiden unserer Sehnsucht nach dem Süden nicht zu genügen.
Draussen ist immer noch Wallis. Das verwundert an sich nicht, trennen gerade mal ein paar Minuten diese Zeilen von den vorangegangenen. Ein Schreibstau beginnt sich von links unten meines Körpers zu bemächtigen. Höre mir an des Schreibens statt also die aus dem Web gezogenen Vespern von Monteverdi an. Die bahnen dem Geist auch eine Gasse in die Welt, insbesondere an einem Karfreitag. Was war nochmals an Karfreitag zero? Irgendwas mit Nägeln und Holzbalken auf dem Berg Golgota. Naja. Dann doch lieber eine Zugfahrt. Steffu ab.
… empfängt uns alsbald Milano.
So. Italien. Besser ist das. Das Land hat grosse Menschen hervorgebracht. Michelangelo Buonarroti, Leonardo da Vinci, Caterina de‘ Medici, Silvio Berlusconi. Wobei die erstgenannten tot sind und das schier zur Unkenntlichkeit geliftete 88-jährige Baby derzeit in Milano in einem Spital liegt. In Milano sind wir jetzt auch. Eine Viertelstunde Umsteigezeit schien uns in der Bemessung doch arg knapp und so packten wir noch eine Stunde Marge oben drauf. Der Frecciarossa würde einen verspätet anschippernden Pflanzblätz-Express aus der Schweiz kaum abwarten wollen. Und wäre der weg, wäre Kampanien und das südliche Italien vorerst perdu für uns.
Sehr rot und sehr schnell – roter Wein passt da auch
Kommt aber gut. Gelegentlich einer schön satten Akzeleration nicht eben abgeneigt, fasst mich beim aktuellen Marschtempo von mehr als 300 km/h ein wohliger Schauer an. Offenbar kann Italien nicht nur Ferrari, sondern auch Frecciarossa. Rot ist dieser in der Tat und die Farbe ist auch hier eine klare Ansage. Linienflugzeuge sind bei dem Tempo längst in der Luft. So gefällt das.
Weniger gefällt, dass sich die Tante zwei Reihen hinter uns seit einer Stunde die Lunge aus dem Körper bellt. Ich habe mir deren Sitznummer gemerkt. Wenn wir in zwei Tagen die Amalfiküste nicht bereisen, sondern in einem Hotelzimmer darniederliegen, werde ich ihre Anschrift ausfindig machen und dann kracht es und zwar ganz grauenhaft. Ich bin ja an sich ein ganz verträglicher Mensch, aber wenn es um unsere Reisen geht, verstehe ich keinen Spass. Die sind mir so heilig wie den Pilgern der karfreitägliche Berg Golgota.