Die Idee einer Reise ist, der Reisetätigkeit nachzugehen, daher ruht auch der Name. Diese Reise endet alsbald und dann ist es keine Reise mehr. Wir erkennen, dass Stefan und ich, so viel wir auch reisen, das Konzept des Reisens noch nicht vollständig verinnerlicht haben, sonst würde die Reise nun auch nicht enden. Ich sehe, wir müssen noch mehr trainieren.
Aber wie ich an einer früheren Stelle im letzten Herbst bereits sibyllinisch orakelte, gedenke ich daran etwas zu machen. Da wage bleiben zumeist kraftlos und immer mutlos ist, will ich an dieser Stelle eine Absicht zur Protokollniederschrift bringen: Elf Jahre. Vom Tag genau in elf Jahren beabsichtige ich das Reisen zum Dauerzustand zu erheben, oder zumindest die Möglichkeit zu haben, dauernd auf Reisen zu sein. Elf Jahre. Wir wollen uns das merken.
Neben Grossbritannien gibt es aber auch noch das nordöstliche Frankreich, das Département Meuse und den Ort Bar-le-Duc. Bekanntlich soll man ja nie eine Krise ungenutzt verstreichen lassen. Ich möchte das Prinzip auf das Reisen adaptiert wissen und dergestalt umformulieren, dass nie eine Rückreise ungenutzt bleiben sollte. Also warf Stefan im übertragenen Sinn und zugegebenermassen unter Anwendung einer Suchmaschine einen digitalen Dartpfleil auf Google Maps und dieser kam eben bei Bar-le-Duc zu liegen.
Unseren Malibu stellen wir vor der Église St.-Étienne ab
Der Besuch dieses unter der Hitze ausgebreiteten Städtchens bestätigte, was wir letzten Herbst geschrieben – Frankreich ist zu einem Freilichtmuseum verkommen. Es hat Häuser, Strassen, Kirchen sowieso, aber keine Menschen. Leer wie ein leergekrautes Weinbergschneckenhaus. Und vielleicht ist dieser Vergleich so unzutreffend gar nicht. Ein Schneckenhaus ist durchaus hübsch anzuschauen, aber eben tot, die Schnecke ist weg, aufgegessen und mit ihr die leckere Sauce, an sich das einzig geniessbare an dieser Speise.
Der Tod ist auch in der Église Saint-Étienne präsent und zwar in Form einer ganz merkwürdigen Skulptur, wie sie in einer Kirche noch nie erblickt. Da sind nicht einfach Knochen, kennt man ja zur Genüge, beispielsweise aus dem Petersdom in Rom, nein, da sind Sehnen, die Gurgel, Haut und Muskeln, sieht aus wie Stein gewordenes Leichenplastinat des Gunter von Hagens. Ist aber ein halbes Jahrtausend alt und das ist bemerkenswert, waren anatomische Abbildungen geöffneter Körper doch lange des Teufels und hier ist eine solche ausgestellt. Gut, dürfte also in der Renaissance von statten gegangen sein und in dieser Epoche ging das schon eher.
Ich finde die Skulptur auf jeden Fall super stimmig für den heutigen Tag. Am Schluss einer Reise bin ich drum immer etwas verstimmt, um es mal schöner auszudrücken als zu sagen, dass ich eine Scheisslaune habe und was gibt es da schöneres als ein grausiges Skelett. Passt.
Ich habe da so einen ganz einfachen und bewährten Trick, den ich am Ende einer Reise jeweils anwende, wenn ich den Blues habe und ich will diesen gerne verraten, er ist ganz leicht: Ich beginne nämlich die nächste Reise zu planen und schon bin ich wieder gut drauf.
Bar-le-Duc strengte sich auf jeden Fall an, verschiedene Klischees zu bedienen und so fanden wir knapp ein Café mit drei Plastiktischchen, eine verlebte und bis Oberkante Unterkiefer hageldichte Figur im Türrahmen, welche unsere Bestellung zweier Cafés aufnahm, um diese dann zubereiten zu lassen, aber nie zu bringen. Die lauwarmen Cafés brachte uns auf Nachfrage dann der Chef persönlich. Nachdem dieser wieder im Gebäude war, hörten wir ihn mit dem Verladenen schimpfen.
! Nous adorons la France 🇫🇷 !
Éguisheim – wo auch sonst. Alles ist besser in Éguisheim. Hübsch, gemütlich, Störche, nett, alles. Störche ohne Ende, Flammkuchen, Störche auf dem Schloss, ein Kilo Pinot gris, Störche welche klappern wie die Gestörten.
Wegem Hund des in die Jahre gekommenen Paares am Nachbartisch fing es an. Wie der (streichelbedürftige) Hund denn heisse? Bo, wie Bo Derek, aber das würde Stefan nichts sagen, dafür sei er zu jung. Ich: „Das kann sein, aber uns trennen gerade mal zwei Jahre.“ Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte besser nichts gesagt, Idiot, was ich bin. Ein Beispiel für deutsche Direktheit gefällig? Die umgehende Reaktion von ihr: “Meine Güte, was ist denn mit Dir passiert?“, nur damit er wie aus der Kanone geschossen nachdoppeln konnte: “Warst Du zwanzig Jahre im Koma?“ Autsch! Das sass. Die beiden müssen in Sachen Gemeinheiten noch besser eingespielt sein als wir beide. Sie planen nach Interlaken zu reisen und haben nun meine Karte. Sie werden uns besuchen kommen.
Neben Bo, dem Hund unserer Tischnachbarn, sind natürlich auch die Klapperstörche die Stars des Abends
Also, liebe Leute, nach dieser Staffel Blog-Beiträge geht dieser Kanal in die Sommerpause. Im Herbst geht es dann weiter. Soviel sei schon mal verraten: Stefan wird zumindest zu Beginn wieder nicht dabei sein, erneut wegen eines Projekt-Treffens im Ausland. Aber Ausland tönt schon nach Reise und so werden wir dann einen Schichtwechsel vollziehen – das hatten wir so noch nie.
Wohin es geht und wer mich begleiten wird? Ersteres weiss ich selber noch nicht, letzteres aber schon. Aber wir greifen da nicht weiter vor. Lasst Euch überraschen und schaltet dann wieder ein.
Safe travels, bonne route, häbit‘s gäbig.
Eure Stefan & Steffu