Obwohl bei Hera beizeiten vor Ort, war es im römischen Kastell VINDOLANDA irgendwann nicht mehr auszuhalten. Auf BBC drehten sie bereits am Morgen leer und gaben gob den erwarteten Temperaturen Warnmeldungen mitsamt Notfallnummer raus. Seit Tagen sei jeder neue Tag der heisseste des Jahres, für heute sagen sie sogar the hottest day ever in Britain voraus. Der staubtrockene Boden knirscht unter unseren Füssen, man könnte nicht meinen, wir seien in Northumberland, sondern in Gerasa, einem anderen Aussenposten des römischen Reiches – im heutigen Jordanien. Als wir dieses besuchten, war es vor Ort auch nicht heisser. Scheint wohl so ein Ding der Römer zu sein.
Mein Blick wandert durch das immens grosse Fort und bleibt bei den Archäologinnen und Archäologen haften, welche sich hier einen abschuften. Nix mit Pinselchen rumwedeln. Schaufeln, Erde, Schubkarren und rüber auf die Halde damit. Als sie mit den Ausgrabungen begannen, schätzten sie, dass sie VINDOLANDA in fünfzig Jahren freigebuddelt hätten. Unterdessen rechnen sie mit 200 Jahren Arbeit, als so gross hat sich dieses herausgestellt. Eine Archäologin schiebt gerade eine randvoll beladene Schubkarre an mir vorbei. Mich beginnt nach einer lauwarmen Cervisia zu dürsten.
Die Geschichte der römischen Garnison wird durch die Erklärungen unseres Museumsführers Paul wieder lebendig
Cl(audia) ‣ Seuerá Lepidinae [suae] | [sa]ḷ[u]ṭẹm | iii Idus Septembṛ[e]ṣ soror ad dieṃ ´ | sollemnem nạtalem meum rogó | libenter f̣aciás ut uenias | ad nos iụcundiorem mihi
Sulpiciae Lep̣idinaẹ | Ceriaḷịṣ | a Ṣ[e]ụerạ, AD 97 -105 – Geburtstagseinladung von Claudia Severa an Lepinia Cerialis, 97 – 105 n.Chr.
[ diem] interuentú tuo facturá si | [ ̣] ̣[ c. ]ṣ vacat | Cerial[em t]ụum salutá Aelius meus ̣[ | et filioḷụs ṣalutant vacat | m vacat sperabo te soror | uale soroṛ anima | mea ita ụạḷeam | karissima ẹt haue
Claudia Severa grüsst ihre Lepidina. An den 3. Iden des Septembers (11. September) Schwester, für meinen Geburtstag, lade ich dich herzlich ein, damit du kommst und mir den Tag erfreulich machst durch deine Ankunft, wenn [..] Grüsse mir deinen Cerialis. Mein Delius und Sohn grüssen […]. Ich erwarte dich Schwester, Möge es dir gut gehen Schwester, meine sehr geschätzte Seele
2000 jähriges Einladungsschreiben mit persönlich von Hand geschriebener Widmung auf einer der Vindolanda Täfelchen – wahrscheinlich der einzige von einer Frau geschriebene und erhaltene Text aus römischer Zeit
Irgendwann treten wir die Hitzeflucht an. Habe ich schon erwähnt, dass wir in Northumberland sind? Was tun in einer solchen Situation? Wasser ist immer gut und da Grossbritannien eben Insel, hat es zwangsläufig Meer drum herum. As the crow flies 50 Kilometer von der Wüste, in welcher wir sind, ist die nächste Küste gelegen. Nordsee. Tönt erfrischend. Hin.
Auf dem Weg zur Küste machen wir noch einen kleinen Abstecher zum Mithras Temper und dem Chester Fort
Zwischen uns und der Küste liegt nun nur noch ein Hindernis – ein Golfplatz. Da es wohl unhöflich wäre, diesen auf den Bromptons fahrend zu queren, schieben wir diese, ducken uns dabei so gut es geht unter dem Artilleriebeschuss der Golfer. Ich dachte immer, die zielen auf Löcher, aber wahrscheinlich sind bewegliche Ziele mal eine willkommene Abwechslung.
Irgendwie wird es zur Gewohnheit, die Bromtons zuerst durch ungeeignetes Terrain zu schieben und schliesslich zu tragen. Mein Bromton electric macht beim Fahren Spass. Beim Fahren. Beim Tragen? Nicht. Gravel road, Golfplatz, Brennesseln, Dornengebüsch, Sand – in dieser Reihenfolge – was tut Tourist nicht alles, um ans Meer zu kommen? Aber es muss ja nicht immer Aya Napa und Ballermann-Scheisse sein. Hier will das Meer offenbar verdient werden.
Umso mehr geniessen wir schliesslich die Wellen, das Wasser. Die Nordsee ist seichwarm wie der Murtensee. Ist das nun die Klimaerwärmung? Vermutlich.
Ausklang des Tages im kleinen Küstenstädtchen Warkworth