Bisher standen wir auf dieser Reise meist brav auf Campingplätzen. Das geht natürlich, ist uns aber zu wenig anarchistisch. Auch der Marlboro Man brauchte seine Unabhängigkeit; die Weite, Pferde, Zigaretten. Was braucht ein Mann mehr? Zugegeben, er stirbt kaum fünfzig an Lungenkrebs, aber dafür war er frei.
Frei standen wir also in dieser Nacht auch, gut verschlauft zwischen Wohnhäusern und Bäumen, Sicht auf einen weiten Park. Aber um Neun ist Schluss, weil dann die Parkingmeter wieder zu laufen beginnen, wir gestern nicht über erwähnte Zeit hinaus lösen konnten und sie – höflich natürlich – auf eine fine von 100 £ hinweisen. Eine solche wollen wir bei aller Liebe zur Freiheit dann doch nicht riskieren. Also machte ich exakt 07:30 GMT Alarm und Lerche, die ich bin, also im übertragenen Sinn und nicht wirklich, springe ich morgens jeweils aus dem Bett wie einer dieser Teufel aus der Box und bin dann auch gleich aktiv wie ein Rudel Iltisse in einem Sack.
Einige Minuten später fädelten wir den Malibu in den Verkehr ein und entschwanden aus Oxford für immer. Alsbald und deutlich vor Zehn manifestierte sich auch schon Warwick am Ereignishorizont und beim Warwick Castle wurden wir gleich von zwei Herren auf einen super grossen Parkplatz eingewiesen, Schatten, bewacht, alles. Dafür selbstredend sauteuer, aber egal. Für unseren Malibu tun wir fast alles.
Warwick: im Castle zwar etwas Disney, dafür im Städtchen gemütlich mit English Breakfast
Jetzt sitzen wir seit einer Stunde in einem Gaffee, die beiden getoasteten und von flüssiger Butter durchtränkten Brotscheiben liegen wie Diskusse in meinem Magen. Wahrscheinlich gehe ich nachher kurz kotzen. Stefan programmiert. Das ist wichtig. Und auch gut. Warwick wurde zwar vor über 1000 Jahren von der grossartigen Æthelflæed, Tochter von König Alfred, ihres Zeichens Herrscherin von Mercia, gegründet, aber sonst kann Warwick nicht viel. Beim Castle wird zwar mit der ganz grossen Kelle angerührt, aber eben Kilbi. Das hätte mir als Kind bestimmt gefallen. Als Kind. Eben.
Wir wollen uns daher noch im nahe gelegenen Stratford-upon-Avon versuchen, dem Geburtsort von Shakespeare. Wobei das ja noch nichts heissen muss, der Shakespeare ist wie an früherer Stelle erwähnt auf Tournee, tot oder beides zusammen, was weiss ich.
Stratford-upon-Avon, drei Stunden später: Wir haben William Shakespeare gefunden. Er ist also nicht auf Tournee, sondern definitiv tot. Da kann man wohl nichts dran machen. Stratford-upon-Avon, Henley Street; Geburtsort von Shakespeare, Chapel Street; Wohnort von Shakespeare, Holy Trinity Church; Grab von Shakespeare. That‘s life.
Kein Wunder ist Stratford-upon-Avon nach London der meist besuchte Ort in England