In Le Puy-en-Velay stehen Vulkanschlote. Zwar erschloss sich mir deren Konzept unmittelbar, aber aktiv hatte ich solches nicht abgelegt. Für alle, denen es ebenso geht: Die Vulkane sind wegerodiert oder sonstwie verlustig gegangen, deren Inhalte blieben in Form von Basaltgestein zurück. Das wäre also in etwa, wie wenn Du einen Elsässer Kougelhopf brätst, das Loch nach dem Umstürzen mit Pech ausgiesst und wartest, bis der Kougelhopf weggeschimmelt ist. Zugegeben, obwohl ich in der tönernen Form gerne mal einen Kougelhopf ausforme, bisher kam es mir nie in den Sinn, das Gebäck anschliessend mittig zu verfüllen. Puderzucker drauf und gut ist. Oder für die jüngere Generation, die Kougelhopf wohl schon gar nicht mehr kennen: Die Analogie funktioniert auch mit einem Donut und es gibt ja Leute, welche sagen, dass das Loch in der Mitte das wichtigste an dem amerikanischen Hefegebäck sei. Ich kann das nicht beurteilen, bin mir aber sicher, dass das Loch im Donut weniger fett macht als der Rest des Teigtorus. Also verhält es sich auch bei Kougelhopf, bei Emmentaler usw. usf. etc. pp.
Vulkanschlote also. Auf die Nadel, wie der Höger genannt wird, taten die Römer bereits einen Tempel drauf, der wohl dem Merkur gewidmet war. Die frühen Christen taten es dann gleich, aber nicht dem Merkur, sondern dem Michael, danach romanisch und etwas später den knappen Platz noch etwas mehr ausgenutzt und Glockenturm dran et voilà – fertig ist die Sehenswürdigkeit. Kostet 5 €, aber die 80 Meter wollen in Form von gegen 300 Treppenstufen erarbeitet sein. Das erste, was mir beim Betreten der schönen Kapelle auffiel war der Defibrilator, der direkt neben der Türe im Dunkeln lag. Da weisst Du Bescheid. Ich schnaubte ämu wie eine alte Dampflok mit Kesselbeschwerden und als ich mir wieder etwas zu Atem gekommen die anderen ankommenden und bisweilen arg in die Jahre gekommenen Besuchenden etwas genauer besah, musste ich dem Reflex wiederstehen, den Defi vorsorglich schon mal auszupacken und vorzuglühen.
Als hätte der Vulkan noch eine Kirche oben ausgespuckt
Die Kirche Saint-Michel d’Aiguilhe (heiliger Michael auf der Nadel) gibt einen schönen Blick auf einen weiteren Schlot frei. Auf dem Rocher Corneille steht die 16 Meter hohe Statue der Notre Dame de la France, welche 1860 aus dem Metall von 213 während des Krimkrieges bei Sewastopol erbeuteten Kanonen gegossen und rosa angemalt wurde. Auch eine pazifistische Methode zum Umgang mit Kanonenmaterial. Was könnte man wohl auf den gut zehntausend Atomsprengköpfen basteln? Eine im wahrsten Sinne des Wortes strahlende Skulptur, welche man vor den Hauptsitz der UNO in New York stellen könnte? Am besten unter eine zwei Meter starke Kuppel aus Blei, damit die Umwelt nicht zu viel abbekommt.
Den Atem wieder gefunden, vermeinte ich zu Stefan, dass er, wenn er denn möge, zwecks eines Besuchs der Kanonen-Notre-Dame auch den anderen Vulkanschlot erklimmen könne. Ich jedenfalls würde mir das nicht ein zweites Mal antun. Die Pumpe hielt zwar, aber ich bin auch nicht mehr zwanzig und der echten Maria möchte ich gerade noch nicht begegnen. Also nichts gegen diese fiktive Figur an sich, aber die ewigen Jagdgründe können noch gut ohne mich sein.
Die Kraft reichte dann noch zu einem Besuch der ziemlich wuchtigen Kathedrale Notre Dame, ihres Zeichens Basilika minor und UNESCO-Weltkulturerbe. Der Altarraum beherbergt eine schwarze Madonna, in deren Känguru-Beutel auch ein schwarzes Jesuskind steckt. Schwarze Madonnen sind glaubs ziemlich selten – hat es nicht auch eine in Einsiedeln? Ich trat sehr vorsichtig näher und traute mich fast nicht an die niedrige Abschrankung. Nicht aus Furcht vor der Figur, der Chor sah mir einfach sehr nach alarmgesichert aus und ich mochte am zweitletzten Reisetag kein Alarmgeschrei auslösen.
Auch in der Kathedrale heisst es Treppensteigen
Wo wir schon dabei sind: Carcassonne markierte vor vier Tagen den Kulminationspunkt dieser Reise, fungierte also quasi als gravitationale südliche Antipode zum Nordkapp im Sommer. Die 400 Kilometer Asphalt morgen werden wir nicht mehr beblogen. Damit beschliessen wir die Berichterstattung der Herbstreise 2021.
Bisweilen machte Frankreich auf uns den Eindruck eines Freilichtmuseums XL. Die Tatsache, dass viele Orte ziemlich ausgestorben, bisweilen etwas heruntergekommen und üppig mit à vendre Schildern versehen sind, verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Pourtant, nous aimons ce pays – vive la grande nation! Vive la France!