Wir stehen im Base de Loisirs de Tauriac – auf französisch klingt alles irgendwie schöner auch wenn es nix ist. Naherholungsgebiet also. Stimmt. Das Wort klingt ungefähr so elegant wie Säuglingsanfangsnahrung. Da hatten wir doch schon mal was zu (gugsdu Link). Gab oder gibt oder wird es neben Goethe überhaupt jemals jemanden geben, der schön Deutsch konnte, kann oder können wird?
„Alles was jetzt so schön ist … geht ganz schnell vorbei. Heute lasse ich Dich nicht los. Morgen lass ich Dich frei. Immer wenn der Regen anfängt, sing ich für Dich, alle Blumen tanzen und verlieben sich in Dich.“, säuselt 2raumwohnung aus den Lautsprechern. Deren Deutsch ist zwar nicht besonders spektakulär, aber auf eine dadaistische Art doch poetisch, wie mir scheint. Mir fällt gerade auf, dass ich diese Musik nur auf Reisen und dann auch erst in deren zweiten Hälfte höre, wenn ich allmählich einer Seeanemone gleich tiefenentspannt bin. „Es regnet nicht nur in der Regenzeit, es schüttet aus Kübeln nur so runter. Wie stellst Du Dir das Wetter vor in Caracas? Das Leben in den Tropen ist viel bunter.“ Wo die Frau Recht hat, hat sie Recht. Ich sollte das Reisen zum Dauerzustand erheben. Falsch. Radikaler Konstruktivismus: Ich werde das Reisen zum Dauerzustand erheben. Bald.
Naherholungsgebiet. An einem Nebenarm der Dordogne, der Hauptstrom fliesst auch nicht weit vorbei. Wir stehen zudem neben einem Teich. Es regnete. Nun lugt die Sonne wieder hervor, Dunst steigt auf. Die Moskitos tanzen um den Malibu, dass der Himmel kaum mehr zu sehen ist. Sie tun das vor allem neben der Schiebetür. What the f***! Woher wissen die Biester, dass es genau da reingeht? Mich trennen also gerade mal ein Millimeter Stahlblech und etwas Isolation vor meinem sicheren Vampirtod. „Ich und Elaine, von aussen kann man es nicht sehn.“ Sehen mich eigentlich die Moskitos? Glaubs nicht, die Fenster sind mächtig getönt. Aber sie riechen mich, so wird es sein.
Drei Abschnitte und noch nichts über den heutigen Reisetag geschrieben. In der Belletristik geht das. Aber ist ein Blog Belletristik? Unter welches Genre fällt ein solcher? Hängt es vom Stil ab, oder definiert sich das über die Publikationstechnik? Ich werde wohl einmal meine beiden sachverständigen Freundinnen fragen müssen. @ Euch beide: Wenn Ihr das liest, wisst Ihr Bescheid. Gerne unten in den Kommentar schreiben oder mir einen Fax schicken. Einfach schauen, dass dieser nicht als Covid-Statusmeldung beim BAG landet, die arbeiten ja noch so.
Vierter Abschnitt. Nun aber Reise. Rückblende. Zwischen Bruniquel und Autoire liegt Figeac. Moment, da war doch was. Figeac. Nein, da läutete gerade nichts. Ich tat also, was immer in dieser unserer Epoche bei geistiger Windstille getan wird: Googeln. Aber auf Google Maps. Allmählich habe ich ein Auge dafür, wie eine besuchenswerte City von oben aussieht. Zum verifizieren kann ja auch noch in Google Earth 3D gekippt, gezoomt, gedreht und wieder gezoomt werden. Einfach nicht zu sehr, weil sonst schon alles gespoilert ist und sich ein Besuch nicht mehr rechnet. Doch, Figeac würde gehen.
Ganz hübsch – aber fast ausgestorben: Figeac
Dann schaltete mir. Figeac kommt auf Weinflaschen vor. Womit mal wieder ein heuristischer Prozess des Gehirns beobachtet werden konnte. Das Gehirn beobachten. Das Gehirn beobachten? Denken wir kurz durch, ob das möglich ist: Wenn man die Augen ganz fest axial dreht bis sie nach hinten schauen, geht das dann? Ich vermute nicht. Die Augenhöhlen sind ja auch Knochen, da guckst Du also an Wände. Und dann ist ja auch noch zappenduster, es sei denn, die Sonne scheint durch die Ohren. Aber dann müsste durch die beiden kleinen Canalae opticus genannten Löcher gespäht werden, durch welche die Sehnerven führen. Aber das wird wohl eng. Ich versuche es. Die Augen beginnen zu schmerzen. Boah ey, ist das unangenehm. Der Selbstversuch ist zwar noch immer eine anerkannte wissenschaftliche Untersuchungsmethode, aber wir wollen es nicht übertreiben. Gibt sonst eine der peinlichen Unfallmeldungen. Ich gebe etwas ausser Atem auf. Stefan wundert sich, was das eben sollte.
Heute standen wir nicht bei 16.2 Grad Innentemperatur auf. Es waren derer noch 14.5. Man gewöhnt sich daran. Dafür war die Dusche herrlich heiss, dass die Haut fast Brandblasen werfen wollte. Auch schön.
Es pisste während der ganzen Fahrt. Mal mehr, mal weniger. Ich erlebte noch nicht viele Regentage in Frankreich. Letzte Woche fragte ich mich sogar, ob es das überhaupt gäbe. Gibt es also. Während den eineinhalb Stunden nach Figeac blieb mir also genügend Zeit mich zu fragen, ob ich Lust verspüre, vor Ort dann auch auszusteigen. Verspürte ich nicht. Aber ich weiss, dass der Sightseeingdrang dann schon obsiegen würde, bei uns kann man da getrost von einem Automatismus sprechen.
„Immer wenn ich meine Augen schliesse, seh ich Dich.
2raumwohnung
Ich weiss nicht warum, wieso, ich will das nicht.
Alle Ampeln sind auf Rot, aber ich brems nicht mehr.
Ich weiss nicht wohin ich fahr, ich fahr nur Dir hinterher.“