Eine Distanz an sich darf nie ihrer Selbst sein, sondern soll einem Zwecke dienen. Oslo ist Zweck genug und so hat der Van, der uns in den letzten Tagen brav durch deutsche Lande, Dänemark und einen Teil Schwedens nach Norwegen verbracht hat, eine Pause verdient. Auf dem Ekeberg Camping kann er dies nicht nur zwischen kleineren und grösseren Kollegen tun, sondern auch mit Blick auf Oslo.
Und genau dieses sollte uns heute beschäftigen. Zwar waren wir auf unserer Skandinavienreise 2015 schon hier, aber Oslo wandelt als die schnellst expandierende Hauptstadt Europas ihr Gesicht schnell. Und zudem geht Oslo immer. Besonders angenehm bei heiter Sonnenschein wie heute, wobei es schon fast zu heiss werden sollte. Meine Schwester sollte mir bei einem mittaglichen Facetime davon künden, dass ihr Termometer gerade eben mal neun Grad anzeige. Derweil hatten wir 26 Grad. Und das eineinhalb tausend luftlinige Kilometer nördlich der Schweiz. Verkehrte Welt, respektive oszillierender Jetstream, wie der Blumer vom SRF sagt. Der wird es wissen, schliesslich hat er das studiert.
Hier scheint jedenfalls kein Jetstream zu sein, dafür eine geile Stadt und die galt es zu rocken. Mit den Bromptons. Weil das so super flott passt und sie in Oslo zudem wissen, wie Fahrradstreifen gehen.
Die Oper von Oslo kann als das kantige Gegenstück derer von Sydney bezeichnet werden. Die von Sydney ist zwar berühmter und auch sonst schmuck, dafür kann man auf die Oper von Oslo mit dem Fahrrad hochfahren. Es ist zwar fraglich, ob das so vorgesehen ist. Wir konnten es auf jeden Fall und von dort hat es Aussicht.
Beispielsweise auf den Oslofjord oder das Munch-Museum. Gab es das beim letzten Mal schon? Wir glauben nicht. Müsste man fast den 😱 anschauen gehen. Wird ja ohnehin wieder geklaut werden. Munchs Bilder tendieren nämlich zu wiederholtem spontanen und widerrechtlichen Verschwinden. Für Munch erschien es uns aber zu sonnig und es gibt ja noch anderes in Oslo. Zum Beispiel den Vigeland im Frognerpark.
Zuvor aber besuchten wir die Akershus festning. Deren Antlitz weist schwergewichtig auf die Zeiten des Bastiensbaus hin, also Vaubin und dessen Zeitgenossen, aber die Grundmauern sind aus dem Jahrhundert dem Dreizehnten. Und im Akershus sind noch immer Soldatinnen und deren männlichen Kollegen kaserniert. Einer tigerte in leicht erhöhter Position gesperrten Gebiets längere Zeit herum und beäugte uns argwöhnisch. Machte mich schliesslich nervös der Typ, zumal er bewaffnet war, wir hingegen bloss spärlich. Die Asymmetrie wäre also nicht eben zu unseren Gunsten ausgefallen. Also besser weg hier, man weiss ja nie. In Jo Nesbøs Thrillern sind in der Festung Akershus schliesslich schon Leute ermordet worden. Jo Nesbø war jedenfalls nicht zugegen, sein verschrobener Kommissar Hole auch nicht und Mörder ebenso wenig. Zumindest keine erkennbaren.
In Oslo am besten gefällt Gustav Vigelands Lebenszyklus des Menschen. Die Anlage im Frognerpark entstand in den Jahren zwischen 1924 und 1943 und umfasst 212 naturalistische Figuren von Menschen. Alles strebt zum aus 121 Menschengestalten gebildeten Monolithen hin. Soweit die Fakten.
Die Ausdrucksstärke jeder einzelnen Figur beeindruckt mich stets aufs Neue. Sie wirken, als bestünden sie nicht aus Granit oder Bronze, sondern als wäre mitten in deren Bewegung oder Sein die Zeit stillgestanden. Vielleicht werde ich dereinst, wenn sich mein Lebenszyklus dem Ende zuneigt, in die Vigelandsanlegget kommen, mich ausziehen, zu Stein werden und fortan Teil des Ensembles sein. Das wäre kein schlechtes Ende.