Von Budapest bis Zagreb sind es 350 Kilometer. Geht also noch so. Es ist aber mehr oder weniger egal, welchen Zug Du nimmst, Du kommst immer erst um 21:05 Uhr dort an. Also beschlossen wir uns zu der einzigen Direktverbindung des Tages, welche fünfeinhalb Stunden dauert und eben um Neun in Zagreb ankommt.
Ich frage mich, ob die Ungarn und die Kroaten nicht miteinander können oder ob hier einfach niemand Zug fährt oder was. Ämu ist es so, dass der Zug erst um halb Vier fährt, wir also noch etwas Zeit totschlagen müssen. Also fuhren wir mit der Metro bis Corvin-negyed, wo wir uns derzeit umtreiben.
Danach fahren wir eben nach Zagreb. Da weiss ich kaum was darüber. Scheint nicht allzu gross zu sein und zwischen Hügeln eingebettet, aber das werden wir dann morgen sehen. So Nichtwissen finde ich eine so schlechte Sache gar nicht beim Reisen. Weisst Du nichts, bist Du nicht voreingenommen. Dann fährst Du hin uns siehst es Dir an.
So wie hier in Ungarn. Die Leute scheinen noch etwas mehr zu rauchen als bei uns und die Häuser sind ein bisschen weniger rausgeputzt, ansonsten weiss ich nicht. Aldi, Lidl und Müller gibt es auch hier und die Teenies laufen wie bei uns mit weissen Socken rum, etwas, was wir uns in den Neunzigern mühsam abtrainiert haben. Aber sei‘s drum, das muss wohl so sein.
Wir fallen nicht auf hier und so lange wir nicht sprechen, könnten wir auch gut als Ungaren durchgehen. Ich mag das auf Reisen. Blend in, sich in einer Kultur unter die Leute mischen und schauen. In vielen Gegenden auf der Welt geht das nicht. Blend in in Malaysia oder Simbabwe? Keine Chance. Hier geht das.
Ach ja, und dann hat es uns nun beide erwischt – in dieser Nacht tönte es in unserem Hotelzimmer wie in einem Kriegslazarett. Bisher haben wir uns noch immer mit solchem Mist abgewechselt, was wir auch ganz nützlich finden, weil dann kann sich der Gesunde stets um den mit Männerschnupfen kümmern. Jetzt sind wir aber beide gleichermassen angeschlagen. Krank sein auf Reisen macht noch weniger Spass als zu Hause. Mir ist es aber lieber jetzt, als in ein paar Tagen. Am 06. Januar werde ich nämlich an meinem neuen Arbeitsort erwartet und da will ich nicht wie ein feuchtes Taschentuch aufkreuzen.
Wir sind also gleich im doppelten Sinne im Limbus, so in einer Zwischenwelt zwischen den Spähren. Nicht mehr wirklich in Ungarn und noch nicht in Kroatien und zudem so in Watte gepackt. Männerschnupfen halt.
Dass es hier gemächlicher zu und her geht als in unseren Breitengraden stellten wir im Bahnhof Budapest-Deli fest. Vierzig Minuten vor Abfahrt stand der Zug bereits da – vierzig Minuten! Das reichte gemütlich für eine Aufnahme mit der Lok und das Einrichten im 6er-Abteil, in welchem es aussah, wie in unseren Zügen in den 70ern.
Ein amerikanisches Ehepaar in unserem Alter (zu unseren Gunsten gerundet) setzte sich zu uns. Und die waren sehr gesprächig. Vor allem er. Sie wäre es auch gewesen, nur kam sie gar nicht dazu. Über volle fünf Stunden lernten wir Viel – von der US Army über das Ölgeschäft, vom Sozialversicherungssystem über die Politik, von der Grenzkontrolle zwischen den Staaten und Mexiko bis zur Zubereitungsweise scharf gewürzter kleiner Krebse. Das war sehr interessant und auch kurzweilig. Schade nur, dass ich von Beginn an Kopfschmerzen hatte, welche sich schier zu einer veritablen Migräne auszuwachsen vermochten.
Um halb Zehn Abends erreichten wir dann schliesslich Zagreb und dieses hat sich mit Weihnachtsmärkten ausgesprochen hübsch herausgeputzt. Vom Hotel aus haben wir freie Sicht auf den Zentralplatz Trg bana Josipa Jelačića und die Kathedrale, allerdings ist das Bufta-bufta auch line of sight zu uns. Aber das passt schon. Zagreb dürfte uns gefallen, aber davon berichten wir morgen.