08:45 Uhr, Bäckerei Anker (Für Knuspriges im Gebäck), Bhf. Salzburg: Eigentlich wollte ich jetzt die Zeitungen lesen. Von samstäglichen Routinen soll man ja nur im Notfall abweichen, aber mir schreibt gerade lieber. Ganz in Österreichischer Tradition. Schliesslich gab und gibt es grosse Literaten in dem Land. Mir fallen bloss keine ein. Doch: „Der dritte Mann“ ist super. Wobei der ist von Graham Greene und der war nicht Österreicher. Vielleicht aber war er Österreicher mit englisch anmutendem Namen. Der dritte Mann spielt jedenfalls in Wien. Das zählt auch. Den Roman las ich, als ich das letzte Mal in Wien war. Vor sechzehn Jahren. Greene starb in der Schweiz.
Derweil hat sich Stefan etwas westlicher von hier auf Achse gemacht, siehe sein Blogbeitrag. Ich bin mehr so in Pole-Position. Aber ich habe ja auch einen unfairen Vorsprung auf Wien. Wenn er Salzburg durchfährt, werde ich längst schon dort sein. Als Vorhut, als Avant-garde. Klingt anmutig. Aber in der Avant-garde muss man besonders aufpassen. Die putzt es nämlich stets zuerst. Aber in Wien ist ja friedlich.
Hinter mir spricht die Dame hinter dem Desk gerade Englisch mit einem Kunden. Sie tut das ganz sprachsicher. Aber ihr Slang ist der Wahnsinn. Es klingt genau gleich, wie wenn sie österreichisch spricht, einfach mit englischen Worten: „Siix Iuro näinti. Säänk iu.“ Das müsste es als Podcast-Kanal geben. Würde ich sofort abonnieren.
Steffu ist nun schon eine Woche alleine unterwegs. Dank dem Blog und Facetime war ich zwar zum Glück auch immer etwas dabei, aber nun sehne ich mich ganz fest danach, wieder bei ihm zu sein. Zusammen reisen ist einfach besser.
Also Koffer und Interrail-Ticket gepackt und ab an den Bahnhof nach Bern, von wo es mit dem Zug zuerst nach Zürich ging. Da ich in Hinblick auf Verspätungen einen früheren Zug als nötig genommen hatte, blieb mir noch Zeit am Bahnhof Zürich eine neue Mütze zu kaufen, denn irgendwie habe ich es gestern noch geschafft, meine zu verlieren.
Im ÖBB Railjet ging es dann weiter nach Feldkirch, wo ich meinen Sitzplatz wechseln musste, da die Zugskomposition aus der Schweiz völlig ausgebucht war und ich daher in die zweite Komposition wechseln musste, die in Feldkirch angekoppelt wurde. Der Wechsel verlief völlig unproblematisch. Der Vorteil war sogar, dass ich aus einem vollgepferchten Zugsteil in einen fast leeren wechseln konnte.
Nun walzere ich mit dem EC 765 im Dreivierteltakt nach der Perle an der Donau. Allerdings nicht zur Musik von den Straussen, sondern vertieft in mein Studium. Da steht beispielsweise geschrieben: In Art. 9 Abs. 1 Bst. a Rahmenverordnung BPG ist für alle Arbeitgeber, die BPG anwenden, der Minimalanspruch des Mutterschaftsurlaubs geregelt, der sich betreffend der Dauer am Erwerbsersatzgesetz (Art. 16c und 16d EOG; SR 834.1) orientiert. So geht das über 366 Seiten. Das Lesen wäre ja noch das eine, Verstehen ist die Idee. Das geht auch, braucht aber Zeit.
An Board des Railjets hat man WLan und kann sich sogar über das Internet einen Kaffee an den Platz bestellen. Modern Times! Auch das Essen bekommt man an den Platz geliefert. Das Randenrisotto mit Gstaader Kräuterkäse, den ich von zu Hause als Kühlschrankrestbestand noch mitgenommen habe, war jedenfalls sehr lecker.
Vorbei am verschneiten Vorarlberg und Salzburg erreichte ich schliesslich, nein endlich Steffu in Wien Mitte!
15:10 Uhr, Conditorei Aida, Wien: Was ich an Wien am meisten schätze? Du sitzt in einem vollen Kaffeehaus und es ist still. Die Leute unterhalten sich zwar, aber angenehm dezent. Kein Vergleich zum Geschrei, was bei uns zu Hause an solchen Orten herrscht. Ich habe einen Apfelstrudel genommen. Ohne Schlagobers.
Wien ist eine schöne Stadt. Wir werden hier allerdings nur einen vollen Tag haben. Zu Gunsten von den darauf folgenden Bratislava und Budapest. Was wir in Wien wohl tun werden? Stefan sagte, dass er diesmal in die Sezession rein wolle. Klingt gut. Vielleicht reicht die Zeit dann auch noch für einen Abstieg in die Kanalisation. Zu Harry Lime. Aus dem dritten Mann.
Dann ist es endlich soweit: nach 9 Stunden Zugfahrt erreiche ich den Bahnhof Wien Mitte, wo mich Steffu bereits auf dem Bahnsteig erwartet. Das Wiedersehen feiern wir mit einen Glas Sekt und einem guten Essen im Restaurant Sünnhof.