Um 10:30 Uhr, in the middle of nowhere: Umsteigen in Tüssling. Man kann das offenbar wahlweise mit „ss“ oder dem Doppel-ß schreiben. Hier gibt es nichts. Ein paar Acker. Einige Kühe. Und ein, zwei Katholiken vielleicht. Sonst nichts. Immerhin scheint die Sonne. OMNIA SOL TEMPERAT. Einer geht dem Perron entlang. Vor mir vorbei. Und dann wieder zurück. Und wieder an mir vorbei. Und wieder zurück. Vorbei. Zurück. Vorbei. Zurück. Ich würde ihm am liebsten beide Beine brechen. Mach ich aber nicht. Aber die Vorstellung daran tut gut.
In solchen Situationen ist Imagination eine feine Sache. Ich denke also an die vorangehende Zugfahrt von Burghausen nach Tüssling zurück. „Nächster Halt Heiligenstatt. Bedarfshalt. Zum Aussteigen beim Triebfahrzeugführer melden“, hiess es da. Deutsch ist eigentlich schon eine hässliche Sprache. Davon ausgenommen sind nur Texte von Goethe, Rilke und vielleicht noch Kant. Die konnten das nämlich. Aber heute kann das niemand mehr. „Bedarfshalt“. Tönt wie Justizvollzugsbeamter.
Endlich fährt ein Züglein bestehend aus zwei Wagen ein. Es fährt nach Burghausen. Da will ich aber nicht hin, weil da komm ich gerade her. Der Rastlose steigt aber ein. Gut. Nun ist Ruhe. Ich schaue raus auf den vor mir liegenden Acker. OMNIA SOL TEMPERAT, PURUS ET SUBTILIS.
17:05 Uhr, Mr. Wan Asia Restaurant, Salzburg: Salzburg ist schön. Doch, Salzburg geht. Sie haben sogar einen „Fridays for Future“-Umzug. Rund zwanzig Demonstrierende haben sie gefunden. Allerdings gingen ihre Parolen im dichten Verkehrslärm komplett unter. Die Leute taten mir richtig leid.
Und dann kam natürlich Wolfgang Amadeus „Wolferl“ Mozart hier zur Welt. Geburtshaus von Mozart, Wohnhaus von Mozart, Mozartplatz, Mozartkugeln, überall Mozart.
Mir schienen jedoch Schloss Mirabell, Dom, Stift St. Peter, die Festung Hohensalzburg und die Altstadt an sich spannender als Mozart. Also nichts gegen Mozart. Den verehre ich maximal. An seine Grosse Messe in c-Moll (KV 427), die unvollendete, kommt nichts ran. Aber der lebt ja nicht mehr. Weil tot.
Seit der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal jährlich anlässlich der Salzburger Festspiele auf dem Domplatz aufgeführt wird, ist der Tod ohnehin in Salzburg zu Hause … Den geh ich aber mal nicht besuchen. Scheint mir sicherer.
Wie waren am Schluss des „Jedermann“ noch des Teufels enttäuschte Worte, bevor er abging:
Die Welt ist dumm, gemein und schlecht
und geht Gewalt allzeit vor Recht.
Ist einer redlich, treu und klug,
ihn meistern Arglist und Betrug.
Stefan 21. Dezember 2019
Den Tod lasse lieber in Salzburg zurück!
Ich sitze jetzt im Zug nach Wien und freue mich, dich Steffu nicht nur digital sondern endlich in Fleisch und Blut zu sehen. Wird auch Zeit!
Stefan und Steffu 21. Dezember 2019 — Autor der Seiten
Mach ich. Wir reisen ja schon zu zweit. Da nehmen wir den Schnitter nicht mit.