Lichterpracht ist dann, wenn sich die Sonne bis zum Folgetag verabschiedet. Das wollten wir uns besehen und so gingen wir abends nochmals auf die Gasse. Ist die City morgens leer, so tanzt abends doch der Bär und nachts sind alle Katzen grau.
Um de Oude Kerk schauen die einen spärlich bekleidet aus ihren rot beleuchteten quadratmeterkleinen Quartieren raus, die Passanten – meist Männer halt – schauen zu den Damen rein. Diese klopfen dann auffordernd an ihr Fenster, um Mann als Kunde zu gewinnen. Uns fasste das nicht an, mich von Berufung wegen und Thomas auch nicht. Ich war an den architektonischen Fotosujets interessiert.
Der Abend wurde zur Nacht und diese mit philosophischen Gesprächen auch jung. Da wir kein Stress nicht haben am folgenden Abreisetag, liessen wir es so geschehen, legten unsere Uhren zur Seite und uns schliesslich zur Ruhe.
Des morgens wankte ich ins Badezimmer. Silberfisch in der Badewanne. Einen solchen habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Aber ich verstehe ihn, weil erstens können Silberfische das und zweitens würde ich als Silberfisch auch lieber in einem repräsentativen Hotel aus dem Gulli krabbeln, als in einer üblen Absteige. Ein sensibles Gemüt könnte nun argumentieren, dass ein Silberfisch eine so gute Sache nicht ist, vor allem morgens. Aber mir ist ein Silberfisch im Email allemal lieber als Stephen King‘s Pennywise. Der kommt bekanntlich ja auch durchs Gulli und wenn er das tut ist der Tag definitiv und nachhaltig futsch.
Thomas‘ ICE führt 12:38 gen Süden. Ich beschloss, ihn bis Frankfurt zu begleiten und den Zug dort zu verlassen. Ursprünglich erwägte ich als nächstes Lübeck anzulaufen, aber Thomas‘ Commedy bei seiner Anreise genügte mir als Warnung. Ich will dann nicht Stress haben, wenn ich die doch sehr grosse Distanz von Lübeck nach Wien überwinden und vor allem pünktlich bei der Perle an der Donau eintreffen muss. Zudem liegt Lübeck doch erstaunliche 550 Kilometer von Amsterdam entfernt und diese Distanz kann ich gut nutzen, um mich in der Tendenz dem Wochenendziel zu nähern.
Was macht in vier Tagen zwischen Amsterdam und Wien Sinn? Köln war ich gerade, München auch schon, grübel grübel und studier … doch, da war doch was. Ich erinnere mich daran, mehrmals fasziniert Bilder der längsten Burganlage der Welt im Web studiert zu haben. Läge die nicht irgendwo auf dem Weg? Ask Google. Klar, die Anlage liegt in Oberbayern, direkt an der Grenze zu Österreich. Von dort ist es dann auch nicht mehr Weit nach Salzburg. Salzburg passt auch, war ich noch nie. Ich weiss aber, dass da der Tod zu Hause sein soll und das wäre doch auch was für kulturelle Recherchen. Und schliesslich ist es von Salzburg dann auch nicht mehr weit hin bis Wien. P-e-r-f-e-k-t! Dieser Plan war dann schnell gemacht.
Auf Burghausen komme ich heute aber nicht mehr hin. Geht nicht, wenn Du erst am Mittag in A‘dam in einen Zug steigst. Also lege ich auf halbem Weg Rast ein und reise dann morgen nach Burghausen. Sind von Frankfurt dann doch noch 460 Kilometer und mehr als sechs Stunden Zugfahrt. Offenbar bisweilen mit einem Pflanzblätzexpress. Deutschland ist so klein eben auch wieder nicht.
Geister müssen auf dem selben Weg aus einem Gebäude raus, wie sie reinkamen. Was bedeutet diese Analogie auf unserer Reise? Genau – Thomas kam fast nicht durch Deutschland hoch und jetzt wiederholt sich die Geschichte. Unser ICE hat es über die deutsche Grenze bis Emmerich geschafft. Dann war Schluss. Aus die Maus. Oberleitungsstörung. Sie ziehen den ICE eben zurück nach Arnhem und von dort soll er dann über eine Ausweichroute fahrend mit zweieinhalb Stunden Verspätung in Frankfurt ankommen. Soll. Hat die Deutsche Bahn komplikationsfreie Reisen abgeschafft oder was?! Von zwei deutschen Kollegen weiss ich, dass sie praktisch nie eine Reise einigermassen pünktlich durch ihr Land schaffen. Ich glaube ich tat gut daran, heute lediglich nach Frankfurt zu planen. Thomas hat aber leider wieder Stress.
Den Silberfisch schickte ich übrigens wieder den Gulli runter. Zu Pennywise.
Therese 18. Dezember 2019
Die Fotos von Amsterdam sind wannsinn sinnig schön. Ich bin ein wenig beschwipst. Liebe Grüsse Therese und Stefan
Stefan und Steffu 20. Dezember 2019 — Autor der Seiten
Danke. Gerne kannst Du gelegentlich mit Elisabeth oder einer anderen Freundin wieder reinschauen.
Frohe Festtage & alles Gute bis dann wieder zu Hause,
Steffu