Derry/Londonderry – bereits der Stadtname ist politisch. Selbstverständlich gaben die Briten der Stadt den Namen Londonderry und genauso selbstverständlich würden Republikaner ihre Stadt nie so nennen. Auch liesse sich der Stadtname auf Derry ändern, aber dazu müsste die Britische Krone angerufen werden. Das würden republikanische Nationalisten jedoch nie tun, weil sie so ja die Autorität Grossbritanniens anerkennen würden. Wir erkennen – wir sind bereits mitten im Thema. Die Medien lösten das Namensproblem, in dem sie begannen, die Stadt politisch korrekt „Derry-Stroke-Londonderry“ zu nennen, also Derry-Strich-Londonderry. Das führte schliesslich dazu, dass die Stadt oft, bisweilen auch ironisch, nur noch „Stroke-City“ genannt wird.
Hinweis: Weiter unten wird eine Originalaufnahme gezeigt, welche verstörend sein kann.
Wir sind nun also in Nordirland angekommen und es ist, als hätten wir eine zweite Reise begonnen. Wie auch in Irland, begegnen wir hier Schritt auf Tritt Geschichte, hier allerdings jüngster Geschichte. Und einer sehr politischen.
Kaum in Derry angekommen, erfuhren wir an der Hotel-Reception, dass es eine Stadtführung zum „Bloody Sunday“ gibt. Da wir hier ohnehin den Spuren dieses Themas folgen wollten, schlossen wir uns dieser Führung an. Auf diese Weise erfährt man meist mehr. Unser Guide Paul Doherty ist natürlich stramm irischer Nationalist und meinte gleich zu Beginn, dass, wer eine politisch korrekte Tour wolle, besser gleich wieder gehe. Dann aber wurde er ernst. Sein Vater Patrick Doherty war einer der dreizehn Demonstranten, welche am Sonntag, 30. Januar 1972 – dem Bloody Sunday – von britischen Soldaten erschossen wurde. Paul hatte eine Stunde für die Tour eingeplant. Es wurden annähernd zwei, soviel Herzblut hat er investiert. Die ganze Wahrheit über den Bloody Sunday wird wohl nie ans Licht kommen. Tatsache ist, dass keiner der Demonstranten bewaffnet war und einige von ihnen gar von hinten und aus grosser Distanz erschossen wurden. In jüngster Zeit war das Thema wieder häufiger in den Medien, da wieder prozessiert wird. Die Aufarbeitung hat bisher rund 200 Mio. Pfund gekostet. Dabei würde die Wahrheit kein einziges Pfund kosten, meinte Paul, die damals Verantwortlichen müssten einfach hinstehen und die Wahrheit sagen. Das sei Alles, was sie forderten. Nachdenklich gingen wir zum Hotel zurück.