Gestern Abend blickten wir vom Hotelzimmer auf das blaue Wasser der Ozeans, Möwen zogen ihre Kreise am stahlblauen Himmel. Heute Morgen die Vorhänge aufgezogen, schien die Kulisse ausgewechselt. Beim Meer könnte es sich noch um dasselbe handeln, ansonsten alles grau. Der Himmel, grau, das Wasser, grau, die Strasse, grau. Alles grau. Und nass.
Da sich bei dem Wetter ein Besuch des heutigen Tagesziels Rock of Cashel nicht lohnt, beschlossen wir, spontan den Ring of Hook zu nehmen und damit der rauhen Küste der Hook Peninsula entlangzufahren. Wenn die Iren neben Bier etwas richtig gut können, dann sind das Ruinen, sinnierte mir beim Fahren. Die Fensterwischer drehen bei ihrem Kampf gegen den Regen fast durch. Mir wird beinahe schwindlig davon – da konzentrierst Du Dich bei Tempo 100 auf die Strasse und ständig fuchteln Dir die Dinger vor den Augen rum. Ist doch wahr. Wo war ich? Ah, ja. Überall hat es Ruinen. Ruinen ohne Ende. Sehr hübsch. Zum Beispiel die Tintern Abbey. Sehr fulminant, sehr monumental. Da fällt der Glaube an den Erzengel Michael mit Schwert gleich viel leichter. Damals war noch nichts mit Ökumene. Draufhauen war die Devise. Eine gute Perspektive bei einem solchen Bauwerk geht von schräg unten. Nur seikt es Dir dann auf die Zeiss-Optik und das mag ich nicht. Die Kamera mag das auch nicht.
Also fuhren wir weiter. Enya geht noch immer und passt super in diese Landschaft. Und so säuselt sie ihre sanften Melodien aus den Hoch- und Mitteltönern. Der Name des Albums: „A day without Rain“. Genau!
Das Hook Lighthouse, der berühmteste Leuchtturm Irlands, ist auf schwarz glänzenden, schroffen Felswänden sicher und fest verschraubt. Zu drei Vierteln ist er von der Brandung umgeben. Viel Meer rund herum, was bei einem Leuchtturm irgendwie auch Sinn macht. Die Brandung ist beeindruckend. Der schwarzweiss gestreifte Leuchtturm ist es auch. Fast scheint es, als konkurrenzieren sich die beiden. Jedenfalls läuft die Brandung wütend gegen die Felsen an. Auch bei genauerem Studium des Leuchtturms würde man nie darauf kommen, dass das Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert stammt und es sich dabei um den vermutet ältesten operationellen Leuchtturm der Welt handelt. Eine Tafel verrät, dass diese Stelle ausgezeichnet geeignet sei für Wale-Watching. Ein super Fernglas hätten wir mit, aber Wale-Watching kannst Du bei dem Wetter knicken. Also nicht wegen den Walen, die sind ja schon nass und Regen kümmert sie deshalb wohl kaum – vermute ich jetzt einfach mal – aber da ist keine Sicht. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich die paar hundert möglichen Meter in den Ozean hinaus. Vielleicht sollte ich ja Glück haben. Hatte ich nicht. Denn allzu nah werden die Tiere wohl nicht an die Felsen heranschwimmen um mir eine Freude zu bereiten. Wäre mir dann auch sehr nicht recht, wenn einer auflaufen würde.
Weiter ging es nach dem von den Wikingern erbauten Waterford, der ältesten Stadt von Irland. Waterford sucht das Label „hässlich“ abzuschütteln und hat sich nach einem teilweisen Niedergang wieder aufgefangen und sich in jüngster Zeit herausgeputzt. Das scheint zu funktionieren, aber wirklich schön ist anders. Also zwei Wraps zwischen die Kiemen geschoben und weitergefahren.
Darf. Am. Steuer. Nicht. Schlafen. Weil gut ist das auf alle Fälle nicht. Also hielten wir bei einem Einkaufszentrum in the middle of nowhere an und ich schüttete mir einen Cappuccino ins Gesicht. Das half. Mir schien, als möge selbst der Audi wieder besser. Stefan fragte mich gerade, was es mit dem Rock of Cahel auf sich habe, als sich dieser in ziemlich beeindruckenden Dimensionen am Horizont erhub. Stefan fragte nicht mehr und mir entfuhr bloss ein „Wow!“ Aber dazu morgen mehr.