Die Marrons rufen oft Dämonen zu Hilfe, erklärte uns unser Guide Clyde, der in Südafrika Informatik studiert hatte, während unserem Besuch im Nachbardorf Dan. Die Hilfe der Dämonen habe aber ihren Preis. So sei es besser, sich gar nicht darauf einzulassen, weil man dann nie mehr von ihnen loskomme. Das interessierte mich dann sehr und so stellte ich ihm noch die eine oder andere vertiefende Frage. Allein über das Thema zu sprechen schien ihm aber dermassen Unbehagen zu bereiten, dass ich das Thema dann fallen lies.
Nicht nur die Rituale dieses traditionellen Dorfes schienen uns fremd, auch das einfache Leben der Dorfeinwohner in Hütten mit teils offener Kochstelle ohne fliessend Wasser und Elektrizität lag uns aus der Sicht unseres Wohlstands ziemlich fern. Ohne Führung wären wir nie auf die Idee gekommen, selber durch das Dorf zu gehen. Der anschliessende Besuch des Marron-Museum im Nachbardorf half uns auch das Leben und die Gepflogenheiten dieser Gemeinschaft etwas besser zu verstehen.
Dass die Moderne durchaus ihren Weg bis in diese Region gefunden hat, war an den Schulkindern zu erkennen, die keine Probleme damit hatten, die Fotos auf den Smartphones unserer Touristengruppe durchzublättern. Da der Dorfgenerator seit kurzem ausser Betrieb war, mussten die Dorfbewohner aber auf ihre vier Stunden Strom pro Tag verzichten, ausser sie verfügten über einen eigenen Generator.
Die Dorfkinder hatten offensichtlich ihre Freude an uns. Sie stürzten sich auf den sichtlich überraschten Bodybuilder unserer Gruppe, weil dieser ziemlich bemalt ist mit Tatoos und berührten diese. Dann wollten sie sehen, ob wir anderen auch Tätowierungen haben. Als ich ihnen meines zeigte, lachten sie und wollten das von Stefan sehen.
Auch wenn der Luxus vieler unserer Annehmlichkeiten fehlt, schenkt die Natur – und der Staat in Form von Steuerfreiheit – den Menschen hier offenbar genug, dass sie ein gutes Leben führen können. Dies erklärt vielleicht auch, dass in der Region Kriminalität kaum vorhanden ist und daher auch keine Polizeiposten zu finden sind. Falls jemand doch Probleme bereitet, meinte unser Guide Clyde, schickt man ihn einfach nach Paramaribo.
Für Jugendlich ist der Reiz der Grossstadt hingegen gross. Das Dorf besitzt eine Grundschule, die wir auch besuchen durften. Für weitergehende Schulen, müssen die Schüler jedoch nach Paramaribo, von wo dann die wenigsten wieder in ihr altes Leben zurückkehren wollen. Dies führte dazu, dass einige Dorfhäuptlinge den Besuch weiterführender Schulen verboten, um den Wegzug der Jungen zu verhindern. In der Grundschule werden die Kindern nach holländischem Modell unterrichtet. Lernunwillige Schüler oder Eltern, die sich wenig um ihre Kinder kümmern, scheinen auch hier ein Problem zu sein, wie wir im Gespräch mit der Schulleiterin erfuhren. Beim Blick in die offenen Schulzimmer, schienen die Kinder jedoch rege am Unterricht beteiligt zu sein.
Für die ganz Kleinen gibt es im Dorf eine Krippe, die aus den Einnahmen der Dan Paati Lodge finanziert wird. So haben die Eltern mehr Zeit ihren Beschäftigungen nachzugehen, während für die Kinder gesorgt ist.
Die Marrons besitzen ein ziemlich anderes Familienmodell, als bei uns üblich. Der lokale Guide erklärte uns, dass Männer hier oftmals mehrere Frauen hätten, dann aber für alle gleichberechtigt sorgen müssten. Und wenn eine Frau nicht mehr zu haben ist, sieht man dies an dem dreieckigen Tuch, welches sie um die Hüften trägt. Clyde meinte trocken, das dies in Paramaribo jedoch nicht der Fall sei. Kinder bleiben bei der Mutter. Stirbt ein Mann, so geht das Erbe nicht an seine Frau/en und Kinder, sondern an seine eigenen Eltern oder Geschwister.
Die Stellung der Frau liess sich auch an anderen Beobachtungen erahnen. Wann immer wir Frauen antrafen, waren diese daran, Geschirr im Suriname River zu waschen. Abwaschen scheint hier eine Haupttätigkeit zu sein. Befremdet waren wir auch, als wir vor einem grösseren Haus stehend erfuhren, dass Frauen, während dem sie ihre Regel haben, nicht mehr Ihren üblichen Tätigkeiten oder Ritualen nachkommen dürfen, da sie als unrein betrachtet werden, und dann jeweils für eine Woche in dieses Haus ziehen müssen.
Die gesellschaftlichen Unterschiede zeigten sich auch beim Wohnen. Statt eines einzelnen Hauses teilte sich das Leben auf verschiedene Hütten auf, eine fürs Kochen, eine als Aufenthaltsraum und eine andere zum Schlafen. Männer und Frauen hatten teils auch getrennte Hütten, wobei die Hütten der Frauen an der säuberlich aufgereihten Sammlung an Kochgeschirr im Innern und diejenigen der Männer an der reichhaltigeren Dekoration erkennbar sind.
Voller spannender Eindrücke ruhten wir uns am Nachmittag nach dem Dorfrundgang und dem Besuch des Museum in unserer Hütte von der Hitze aus, die erfrischenderweise durch ein paar kleine Regengüsse gemildert wurde. Trockenzeit meint, dass es lediglich zwei, drei mal am Tag regnet. Der Regen sorgt allerdings für willkommene Abkühlung und nass, weil feucht, sind wir ja ohnehin stets.
Am Abend liessen wir uns von den Rhythmen und Gesängen mitreissen, die uns eine Gruppe Frauen aus dem Dorf vorführten und uns an ihrer Lebensfreude teilhaben liessen. Eine überreichte Steffu eine Blume, wahrscheinlich ist er nun verheiratet.