Anfangs des letzten Jahrhunderts beabsichtigten die Vereinigten Staaten das gescheiterte französische Projekt des Kanalbaus zu vollenden und verlangten dazu die Übergabe der für den Bau benötigten Landbrücke von Kolumbien. Dieses weigerte sich jedoch, voraufhin die USA 1903 kurzerhand einfielen, die Gegend besetzten, also quasi einen auf ‚Ukraine‘ machten, den lokalen Milizführer töteten und den unabhängigen Staat Panama ausriefen. Gerade mal 15 Tage später unterzeichneten die USA mit der jungen Regierung von ihren Gnaden einen Vertrag, der den USA eine Zone von 10 Meilen Breite zur vollen Souveränität überliess. So entstand das Land Panama, die Vereinigten Staaten bauten den Kanal und Kolumbien hatte das Nachsehen.
Ohne den Kanal gäbe es also Panama gar nicht. Zudem gehen 8% aller weltweit über die Meere transportierten Güter durch den Panamakanal. Das waren schon mal zwei gute Gründe für uns, dass wir da hin mussten.
Gut, dass der Kanal pazifikseitig bei Panama City endet oder beginnt, je nach Perspektive. So war die Distanz mit einem kurzerhand angeheuerten Fahrer gut zu bewältigen, respektive zu finanzieren. Um Neun standen wir daher bereits bei den Miraflores-Schleusen und da war ein gar lustig Treiben. Will meinen, ein Menschenauflauf ohnegleichen. Da hatten andere Leute wohl dieselbe Idee wie wir. Das Ganze ist aber dermassen flott organisiert, dass wir bereits nach fünf Minuten, wir hätten das nicht gedacht, im Visitor Center von Miraflores Eingang begehren konnten.
Exponate, Kino, Shop und dergleichen liessen wir umgehend links liegen und hechteten rechts die Treppe hoch – schliesslich will Mann ja den Kanal sehen. Und zu unserem Glück (o.K., ein wenig hatten wir recherchiert), stimmte das Timing hervorragend. Als wir ankamen, schloss sich die erste Miraflores-Schleuse gerade hinter der unter der Flagge der Marshallinseln fahrenden Interlink Probity und das 180 Meter lange Frachtschiff der Panamaklasse mit einer maximal möglichen Zuladung von 38’635 Tonnen begann sich zu heben, beidseitig mit Seilen von insgesamt sechs silbernen ‚Mulis‘ gesichert, schliesslich bestehen rechts und links gerade mal 60 cm Spiel, also etwa soviel, wie unsereiner beim Parkieren in eine Parklücke jeweils hat, wenn er ins Schwitzen kommt.
Die ‚Mulis‚ sind silberne Lokomotiven, welche ihrerseits die 45 Grad steile Steigung von rund neun Metern mittels Zahnstangen System Riggenbach, ein Oltner (damit das auch erwähnt ist), spielend überwinden. Die ‚Mulis‘ waren niedlich anzuschauen und mochten uns daher sehr gefallen, wobei ’niedlich‘ hier 45 Tonnen Abtropfgewicht meinen. Aber in Relation zu den Schiffen, sind diese halt eben ’niedlich‘. Hier hätten wir mal wieder ein Beispiel für die Relativitätstheorie im Alltag.
Zurück zur Interlink Probity, da diese nun in die zweite Schleuse fuhr, respektive seitlich von vorn gezogen und von hinten in diese geschoben wurde. Für eine Gebühr von rund einer Viertelmillion Dollar kriegen hier die Schifffahrtsgesellschaften diesen Service.
Rund eine Meile hinter der Interlink Probity hatte die viel grössere MSC Channe die für die Kanaldurchfahrt benötigten 26 Meter Niveauunterschied überwunden und verliess die gerade mal vor sechs Monaten eröffneten neuen Schleusen. Das portugiesische Containerschiff ist 120 Meter länger als die Interlink Probity, 50% breiter und vermag das Dreifache an Zuladung über die Meere zu schippern, in ihrem Fall also 109’495 Tonnen Fracht. Noch vor wenigen Monaten konnten die grossen Schiffe noch nicht durch den Panamakanal und mussten also 15’000 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. Seit dem Sommer 2016 aber können nun auch Schiffe mit 14’000 TEU Ladung (Twenty-foot Equivalent Unit) den Kanal queren, vorher war dies mit maximal 5’000 Containern möglich. Für die Durchfahrt drückt die MSC Channe allerdings rund 600’000 $ ab.
Der Panamakanal ist zwar Anlageintensiv, um einmal einen schönen betriebswirtschaftlichen Terminus einzustreuen, dafür aber auch eine richtig schöne ‚Milchkuh‘, um den Satz umgangssprachlich zu beenden und auf den Punkt zu bringen. Der Kanal handelt Panama 20% seiner Staatseinnahmen ein und trägt allein 6% zum Bruttoinlandprodukt bei. Das Geld fliesst quasi vor der Haustüre Panamas durch und braucht lediglich abgeschöpft zu werden. Die Opportunitätskosten von 15’000 Kilometern Umweg sind so hoch, dass die strategische Erfolgsposition eine denkbar offensichtliche und erst noch sichere ist, weil allfällige Konkurrenten erst einmal ihrerseits einen anderen Kanal durch Zentralamerika schlagen müssten, um Panama diesbezüglich in die Suppe zu spucken (betriebswirtsch. Slang). Wegen der opportunitätskostenbedingt hohen Nachfrage kann Panama als Quasimonopolist den Preis also beinahe beliebig hoch ansetzen und in der Tat sind die Preise für eine Durchfahrt jüngst massiv gestiegen.
Wieder zur Interlink Probity. Derweil ich mich in betriebswirtschaftlich-philosophischen Gedanken suhlte, hatte sie nämlich die zweite Schleuse überwunden und fuhr hinaus in den Kanal in Richtung Pedro-Miguel-Schleuse. Nach dieser wird auch sie dann die 26 m Höhendifferenz überwunden haben und nach der Durchquerung des Gaillard-Durchstichs durch den Gatúnsee fahren können. In rund zehn Stunden dürfte sie nach den Gatún-Schleusen wieder Meereshöhe erreicht haben und bei Colón in den Atlantik stechen.
Und nun wurde auch für uns wieder Zeit in übertragenem Sinn in See zu stechen, weil unser Fahrer noch immer auf uns wartete.
Danke, Panama, für dieses tolle Erlebnis. Neptun möge der Schifffahrt gnädig gestimmt sein.
Hélène 11. Februar 2017
Hoi zäme, alle Berichte sind sehr intéressant, aber spez.dieser Weil ich Schleusenfan bin!
Meint ihr mit Umweg v 15000 km das die Schiffe via Cap Horn navigieren mussent?
LG Willy
Stefan und Steffu 12. Februar 2017 — Autor der Seiten
Hei Willy
Ah, sehr schön. Das freut uns. Es war wirklich toll, den Schiffen zuzuschauen. Ja, die Schiffe müssen sonst Feuerland und das Kap Hoorn umfahren. Zudem ist die See dort unten gar garstig.
Liebe Grüsse aus Panama
Steffu & Stefan